Von Helgoland nach Ramsgate

Am 8.7. 17 starteten wir in Helgoland unseren bisher längsten Törn. Das Ziel war Dover. Der englische Reeds Almanach, ein sehr umfassendes Buch über die europäische Atlantikküste, warnt, es gibt keinen Hafen zwischen Helgoland und dem UK, was eigentlich eine Binsenweisheit ist. Wir warteten also ab, bis der Wetterbericht uns günstig erschien und starteten am 8.7. mittags.

Die See war noch hackig und so erwischte es mich: ich wurde seekrank!

Da fragt man sich dann schon, was das für eine Schnapsidee war, sich auf solch eine Reise einzulassen. Schlimmer geht immer, ich war nur sehr schlecht gelaunt, müde und mir war übel und schwindlig. Zum Glück musste ich mich nicht übergeben.
Dieser Zustand hielt ungefähr 30 Stunden an, mir ging es am besten, wenn ich am Steuer war. Sich zu konzentrieren und auf den Horizont zu schauen, hilft wirklich. Essen zubereiten und zu sich zu nehmen war eine Herausforderung. Abends schlief der Wind ein und wir mussten wieder einmal den Motor zu Hilfe nehmen. Wir schafften die erste Nacht, wechselten uns ab mit dem Schlafen im Salon in voller Montur und immer bereit, weiter zu machen.

Es war Vollmond, das half ungemein, und die Nächte sind im Juli in diesen Breiten ja auch wirklich kurz. Als es am 9.7.hell wurde, lief der Motor immer noch. Dieses Geräusch ist nervig… Seekrank war ich leider immer noch. Gegen Mittag stellten wir den Motor ab, ließen uns treiben, aßen etwas und genossen die Stille. Wir kontrollierten die Bilgen und den Ölstand des Drive-Legs und nach einer Stunde ging es unter Motor weiter, mit 6 kn Wind von vorn blieb uns nichts anderes übrig. Gegen Abend war uns 2 Stunden segeln vergönnt, dann war es wieder vorbei, dafür kam Nebel auf und wir schalteten das Radar und den AIS Alarm an. Gegen Mitternacht konnten wir wieder segeln, die Sicht war klar und die Seekrankheit war endlich vorbei.
Als wir morgens den Motor wieder starteten, ging dieser sofort wieder aus!!! Das Motorspiel fing wieder an. Es gab wieder Gubbel im Sichtfenster des Dieselfilters, diesen abgelassen, sicherheitshalber noch den Dieselstand in den Tanks kontrolliert, der Motor läuft wieder. Am Nachmittag war es wieder soweit, der Motor ging wieder aus. Wir wechselten den Dieselfilter, schon fast routiniert.

Abends erreichten wir britisches Hoheitsgebiet, voller Freude setzte ich die erste Gastlandflagge unter der Steuerbordsaling, nicht ahnend, wie lange es noch dauern würde, bis wir tatsächlich in England anlegen würden.
Ein Flugzeug der Coastguard kontrollierte uns über Funk. Die üblichen Fragen, wieviele Personen an Bord, von wo wir kommen, wohin die Reise geht. Die letzte Frage war:„Is it a pleasure trip?“ Wolfgang beantwortete die Frage mit „No“, was langes Schweigen bei den Kontrolleuren hervor rief, bis wir sagten, of course, it is a pleasure trip, (only just now it is not a pleasure)… dann war alles wieder gut.
Die nächste Nacht war schon fast Routine, das Abwechseln klappte gut, wir konnten einige Stunden segeln, der Motor war still, herrlich.

Gegen Mittag am 11.7. hatten wir dann Wind mit 6 Bft und Tidenstrom von vorn mit der entsprechenden Welle dazu. Trotz voller Motorleistung bewegten wir uns mit nur 0,8 kn über Grund, kamen also fast nicht vom Fleck.
Eigentlich wollten wir ja nach Dover, aber angesichts dieser Situation entschieden wir uns, Ramsgate anzusteuern, was etwa 16 sm entfernt und schon quasi in Sichtweite war.
Die Wellen waren etwa 2-3 m hoch, manchmal auch noch höher, der Wind hatte inzwischen auf 7 Bft aufgefrischt und Meerkat klatsche von einem Wellental in das nächste. Wir überlegten kurz, ob wir nicht lieber mit halbem Wind Richtung Themsemündung fahren sollten, verwarfen aber die Idee, weil wir dann einen Tag verloren hätten. Gegen 18 Uhr bemerkten wir, dass unser Dinghi halb im Wasser hing. Später stellten wir fest, dass eine Schraube der Aufhängung gebrochen war. Dabei hatten wir noch Glück im Unglück und bei dieser Aktion nur die Luftpumpe vom Dinghi über Bord gegangen war. Wir kämpften und schafften es schließlich, das Beiboot mit einem Zurrgurt zu sichern, dabei verloren wir viel Höhe, die wir uns so mühsam erkämpft hatten.

Ein Cargoschiff fuhr nahe an uns vorbei und fragte mit Handzeichen, ob wir Hilfe brauchten, sehr aufmerksam. (Vor lauter Dinghirettung hatten wir gar nicht unsere Umgebung im Blick behalten, zum Glück ging das gut). Durch den Sturm war auch ein Ruder hochgegangen, was leicht zu beheben war.
Für die 16 sm brauchten wir 10 Stunden (!). Kurz nach Mitternacht erreichten wir endlich Ramsgate. Die freundliche Stimme des Hafenmeisters, sagte etwas so ähnlich wie: „You have the permission to come into the harbour and berth in the western marina.“ Vorher hatte ich nicht mit der Möglichkeit gerechnet, keine Erlaubnis zur Hafeneinfahrt zu bekommen. Am 12.7. um 0.15 Uhr legten wir in Ramsgate im strömenden Regen an. Nass, kalt und kaputt, aber sehr froh, es geschafft zu haben.




Wir blieben 2 Tage in Ramsgate. Wir lagen an einem Steg mit sehr viel Schwell, sodass Meerkat tanzte wie ein kleines Kind, das endlich wieder nach Hause zu seinen Eltern will. (So beschrieb ich es in einer Mail an Pat und Cliff, die Vorbesitzer von Meerkat, die unsere Reise mit großem Interesse begleiten.) Uns war der Schwell fast egal. Wir waren erst mal froh, nicht mehr draußen auf dem offenen Meer zu sein. Wir erkundeten die Stadt, jedenfalls den Teil, der zu Fuß erfassbar war, und stellten fest, dass wir etwas versäumt hätten, wenn wir diese schöne Stadt nicht besucht hätten.
Wir gingen zusammen zum Herrenfriseur, danach hatte ich ungefähr die gleiche Frisur wie der Friseur. War ok, und Haare wachsen ja immer viel zu schnell wieder nach….
Außerdem lernten wir Annette und Michael kennen, sie starteten auch am 4.7. von Den Helder aus mit ihrer Segelyacht Cassandra Richtung Mittelmeer. Sie waren schon ein paar Tage in Ramsgate und hatten für uns einige gute Tipps. Wir kamen gut ins Gespräch und tauschten die Kontaktdaten.