Für den 17. Juli war eine Pause des Meltemi vorhergesagt. Wir rechneten mit mäßig starkem Südwind, deshalb schlugen wir noch am Vorabend den Screacher an. Limnos ist etwa 50 Seemeilen von Lesbos entfernt. Unter normalen Bedingungen brauchen wir dafür rund 11 Stunden. Bei gutem Wetter kann man den Riffgürtel vor Sigri nördlich an einer schmalen Stelle queren.
Skipper und Crew waren sich einig, wir würden die Gelegenheit nutzen und die Abkürzung nehmen. Das bedeutete mal wieder früh aufstehen, Tee kochen und starten. Ab 5:37 Uhr waren wir unterwegs. Die Morgendämmerung und der Sonnenaufgang waren wieder sehr bewegend. Wir ließen uns nicht beirren und lenkten Meerkat ruhig und sicher zwischen den Felsen und Untiefen hindurch. Auf der Westseite des Riffgürtels wurden wir von einem Schweinswal begrüßt. Er begleitete uns einige Minuten.
Der Wind ließ noch etwas auf sich warten, so konnten wir in „Ruhe“ frühstücken. Ab halb zehn war genügend Wind, dass wir den Screacher setzen konnten und nach gefühlten Ewigkeiten konnten wir kurz nach ein Uhr endlich den Motor ausstellen. Endlich nur noch das Rauschen des Kielwassers unter den Rümpfen! So soll segeln sein! Erst in der Bucht vor Moudros in der Anfahrt des Hafens brauchten wir den Motor wieder. Dort im Hafen war es schon ziemlich voll. Wir fanden eine Lücke an der Pier, legten an und vertäuten Meerkat sicher. Der Hafen ist erst vor kurzer Zeit ausgebaut worden. Er scheint sehr sicher zu sein. Leider war der Anschluss für Landstrom an unserem Liegeplatz defekt. Eine unserer drei Solarmodule funktionierte nicht zuverlässig. Da hätte Wolfgang gerne den Lötkolben eingesetzt. Das wurde halt auf später verschoben. Moudros ist ein nettes Städtchen. Für den täglichen Bedarf kann man wohl alles einkaufen. Es gibt sowohl eine Tankstelle als auch mehrere Geldautomaten. Endlich konnten wir unsere Portemonaies und unsere Dieseltanks wieder auffüllen. Seit wir Chios verlassen hatten, war dies die erste Möglichkeit. Es ist kein gutes Gefühl, wenn das Bargeld knapp wird.
Schon als wir in den Hafen einfuhren, fiel uns ein 38-Fuß-Katamaran (Wharram) mit deutscher Flagge auf. Es dauerte nicht lange, da kannten wir auch die stolzen Besitzer Günther und Edeltraud. Sie hatten das Boot selbst gebaut. Es ist sogar für die Langfahrt ausgerüstet. Die beiden wollten eigentlich um die Welt segeln, aber wie Edeltraud sagte, die Zipperlein des Alters waren schneller. Jetzt segeln die beiden im Sommer in Griechenland und im Winter sind sie zuhause in Deutschland. Wir trafen uns mehrmals, hatten viele anregende Gespräche und tauschten viele Tipps. Besonders beeindruckt hat uns, dass sich die beiden trotz einiger gesundheitlichen Einschränkungen nicht beirren lassen und mit einer sehr positiven Grundeinstellung ihren Bordalltag leben. Hoffentlich können die beiden noch lange so unterwegs sein.
Bevor wir wieder abreisten, mussten unsere Lebensmittelvorräte aufgefüllt werden. Auf dieser Einkaufsrunde wurde ich von einem heftigen Regenschauer überrascht. Erst stellte ich mich zunächst unter. Der Regen war nicht kalt und hielt länger an. Da ich nicht wasserscheu bin, entschloss ich mich, durch den strömenden Regen zum Boot zurück zu gehen. Tropfnass aber trotzdem gut gelaunt kam ich an Bord.
Nach vier Tagen brachen wir wieder früh am Morgen Richtung Myrina, der Inselhauptstadt auf. Gegen 6:30 Uhr waren die Leinen los. Nachdem wir die Bucht von Moudros verlassen hatten, konnten wir gut segeln, der Motor schwieg fast die ganze Zeit. An der Westküste von Limnos setzten wir wieder unseren Screacher ein. Damit kamen wir gut voran und erreichten unser Ziel kurz nach 10 Uhr. Wir ankerten im Vorhafen von Myrina, weil an der Pier des Stadthafens kein Platz war. Wir genossen die Ruhe im Vorhafen. Am Abend erlebten wir einen wirklich besonders beeindruckenden Sonnenuntergang.
Am Horizont wurde die Silhouette des Athos sichtbar, der sonst bei normaler Luftfeuchte tagsüber nicht sichtbar ist. Die Sonne ging hinter ihm unter und zeichnete durch das Abendrot seine Konturen nach.
Myrina ist eine lebendige Stadt und verströmt ein außergewöhnliches griechisches Flair. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Limnos zu unseren Lieblingsinseln zählt.
Da wir gerne Landstrom anschließen wollten, und außerdem 5 Bft. Wind angekündigt waren, verlegten wir Meerkat an die Stadtpier. Wie in Griechenland üblich, legten wir römisch-katholisch an. Um etwas dem Ankersalat vorzubeugen, befestigten wir unser Tamagotschi (Ankerboje mit Trippleine) am Anker. Unser Cockpit war so direkt an der sehr belebten Hafenmeile. Bis lang in die Nacht hinein wurde hier eifrig flaniert. Der Hafenmeister teilte uns mit, dass unsere Ankerboje im Hafen von Myrina nicht erlaubt sei. So kam es zum nächsten Taucheinsatz von Wolfgang. Mit Hilfe der Kettlebell war er schnell auf dem sieben Meter liefen Grund und löste den Karabinerhaken der Boje vom Anker. Danach hatte er wirklich eine Dusche verdient – das Hafenwasser war alles andere als sauber.
Nachdem wir Meerkat wegen des vorausgesagten stärkeren Windes zusätzlich mit Vorleinen abgespannt hatten, kam abends innerhalb von drei Minuten ein Gewittersturm auf, der sich durch eine walzenartige Wolkenformation ankündigte. Ein starker böiger Wind aus ständig sich änderten Richtungen bereitete vor allem den Booten im Vorhafen Probleme: bei 4 von 5 Booten hielt der Anker nicht. Zum Glück hatten wir den Platz an der Pier ergattert. Nach dem Gewitter herrschte immer noch eine bedrückende Schwüle. Man sagte uns, dass bisher hier im Sommer noch nie solches Wetter war. Normalerweise ist es heiß und trocken. Das Wort Klimawandel war in aller Munde. In diesen Tagen waren auch die verheerenden Waldbrände bei Athen. Die Flaggen waren auf Halbmast, ganz Griechenland hatte eine dreitägige Staatstrauer.
Das wiederum hielt aber eine Militärkapelle nicht davon ab, vor dem Rathaus und dadurch direkt vor Meerkat recht schmissige Popmusik zu proben und am Abend aufzuführen.
Am 28. Juli durften wir noch das Schauspiel einer Mondfinsternis vom Vordeck von Meerkat erleben. Ich hatte auch noch die totale Mondfinsternis fotografiert. Auf dem schwarzen Bild kann man leider nichts erkennen.
Eine Begegnung in Myrina ist noch zu erwähnen: Während mir die Friseurin die Haare schnitt, übte sie mit mir die Aussprache schwieriger griechischer Wörter. Wir hatten viel Spaß dabei. Und als meine Haare wieder kurz genug waren und sie den Frisierumhang entfernte, war ich klatschnass geschwitzt. Kurzerhand nahm die Friseurin ihren Föhn und pustete mich trocken. Dabei lernte ich noch ein paar weitere Vokabeln. Hoffentlich ist bei unserem nächsten Besuch in Myrina wieder ein Friseurbesuch fällig. (Wer mich kennt, weiß, dass ich extrem ungern zum Friseur gehe.)
So schön es in Myrina auch war, wurden uns die vielen Menschen und Boote an der Stadtpier zu viel. Wir hatten auf dem Weg nach Myrina gesehen, dass es hier viele Ankerbuchten gab, die sehr ruhig und schön wirkten. Also beschlossen wir, noch eine Nacht in einer dieser wunderschönen Buchten zu ankern, bevor wir uns langsam in Richtung Euböa aufmachten, um unseren Sohn Jan Kristof mit Anhang zu treffen. Die Bucht war landschaftlich wirklich wunderschön. Meerkat war allein mit uns. Doch am Abend wurden wir von lauter Musik aus zwei verschiedenen Tavernen, die am Strand waren überrascht. Diese Mixtur aus griechischer und internationaler Popmusik dämpfte unsere Stimmung. Die Musik beschallte uns bis in die frühen Morgenstunden, sodass wir froh waren, nach dem Frühstück unsere Reise fortsetzen können.