
16.8.2019
Im Morgengrauen legten wir in Pórto Lágos Richtung Samothráki ab. Nachdem wir aus der Flachwasserzone herausgefahren waren, konnten wir segeln. Zunächst nur mit dem Vorsegel mit genügend achterlichem Wind. Später drehte der Wind und wir mussten hoch am Wind sogar mit gereffter Genua segeln. Die Wellen liefen durcheinander und entwickelten eine unangenehme Kreuzsee. Dann, ganz plötzlich, schlief der Wind für ungefähr eine Viertelstunde lang ein, um dann um so heftiger fast von vorne zu blasen. So kamen wir nach fast acht Stunden, überwiegend hoch am Wind, etwas gebeutelt im Hafen von Kamariótissa (Samothráki) an, wo wir an einem guten Platz längseits an der Mole festmachen konnten. Wir mussten leider feststellen, dass bei dem ganzen Geschaukel unser Duschsack über Bord gegangen war. Jetzt gibt es also auch von uns Plastik im Meer. Unsere Freunde auf Camira waren schon einen Tag vor uns hier angekommen. Deren Katze Lilly begrüßte uns freudig und schlief den ganzen Nachmittag bei uns an Bord. Ihre „Eltern“ hatten sie geärgert, weil sie während der Nacht im Päckchen mit einem anderen Segelboot lagen und Lilly nicht von Bord gehen durfte. Als dann das andere Boot abgelegt hatte und Camira direkt an der Mole fest war, musste Lilly offensichtlich erst mal Reißaus nehmen. Da sie bei uns aber nichts zu fressen bekam, ging sie später ausgeschlafen wieder nach Hause. Natürlich waren auch hier viele Urlauber. Weder ich noch die Samothraker schienen gestresst durch die Urlauber.

Die kleine Insel ist zwar auch mit der Fähre mehrmals täglich zu erreichen, aber wird nicht so wie Thásos von erlebnishungrigen Touristen überspült. Alles läuft hier etwas langsamer. Kurz vor uns waren offensichtlich einige aus dem Meer gerettete geflüchtete Menschen mit einem Rettungsboot angekommen. Sie saßen alle zusammen am Anfang der Mole. Am Abend waren sie verschwunden, ich vermute, sie waren mit einer Fähre zum Festland gebracht worden.
Wir ließen uns hier auf ein neues Abenteuer ein: wir mieteten für einen Tag einen Motorroller. Zum allerersten mal in unserer gemeinsamen Geschichte waren wir so unterwegs. Wir fuhren am Nachmittag noch zu der Ausgrabungsstätte der antiken Tempelanlage „Kult der großen Götter“, einer Mysterienkultur neben der Verehrung der olympischen Gottheiten. Da wir ja motorisiert waren, wollten wir so nah wie möglich an das Gelände heranfahren und gelangten von Google Maps geleitet ans Ende einer Straße. Wir stellten den Roller ab und gingen zu Fuß weiter. Wie Bergziegen kletterten wir durch das Gelände und landeten an einem Zaun mit einem verschlossenen Tor.

Immerhin sahen wir die Überreste eines Tempels oder etwas ähnlichem aus der Nähe. Wir kletterten zurück zu unserem Gefährt und fuhren zum offiziellen Parkplatz für die Ausgrabungen. Von dort aus führte uns ein Fußweg zum Eingang. Jetzt standen wir wieder vor einem geschlossenen Tor! Die Anlage war schon geschlossen und wurde erst am nächsten Morgen wieder geöffnet. So hatte sich unsere Klettertour doch gelohnt. Ohne diese hätten wir gar nichts von der Anlage gesehen.

Am nächsten Vormittag fuhren wir mit dem Roller in die Chóra von Samothráki, den Hauptort der Insel in den Bergen. Hier waren die Bewohner Samothrákis geschützt vor Piraten und vor den Winterstürmen. Der Roller kam an seine Grenzen. Als es zu steil wurde, musste ich absteigen und nebenher laufen. Der Ort ist beschaulich. Die Burgruine war verschlossen. Wir konnten sie nur von außen bestaunen. Zu Fuß schlenderten wir durch die Straßen und Gassen. Danach rollten wir mit dem Motorroller wieder in den Hafenort Kamariótissa zurück und gaben ihn wieder zurück. In einer Taverne etwas entfernt vom Hafen genossen wir ein ausgesprochen gutes und günstiges Mittagessen.

Im Hafen beobachteten wir ein merkwürdiges Phänomen. In unregelmäßigen Zeitabständen brodelte es im Wasser. Wie aus dem Nichts stiegen Wolken mit dunkler Flüssigkeit auf und ein Geruch nach faulen Eiern breitete sich aus. Von Samothráki ist bekannt, dass es dort noch vulkanische Aktivität gibt. Unter anderem ist in Loutra (Therma) eine heiße Schwefelquelle.
Die Stimmung auf Samothráki hat mir sehr gut gefallen. Die Insel gehört zu den schönsten, die wir bisher besuchten. Trotzdem wollten wir die in der Wettervorhersage angekündigten für uns günstigen Winde nutzen, um nach Límnos zu segeln.

21.8.2019
Deshalb legten wir am nächsten Morgen bereits um 6 Uhr mit Richtung auf Limnos ab. Noch im Hafen konnten wir das Großsegel setzen. Nachdem wir um die lange Sandbank gefahren waren und Kurs auf Limnos nehmen konnten, rollte ich das Vorsegel aus und der Motor schwieg. In flotter Fahrt rauschten wir durch das Wasser. Der Wind frischte noch weiter auf. Wir gingen mit der Genua in das erste Reff. Wir genossen die Harmonie zwischen Wind und Welle, wohl wissend, dass dieser Zustand nicht die ganze Strecke anhalten würde. Später drehte der Wind und flaute ab. Wir brauchten wieder den Motor. Zu allem Überfluss kam die Welle auch noch von der Seite und wir hatten eine schaukelige restliche Überfahrt. Wir hatten uns eine Bucht im Nordosten von Limnos ausgesucht, wo wir mal wieder ankern und die Ruhe genießen wollten. Leider fanden wir keinen für Meerkat geeigneten guten Ankerplatz. In unserer Seekarte war die Wassertiefe mit weniger als 2 Metern angegeben, tatsächlich zeigte unser Echolot 33m Tiefe. Kurz entschlossen fuhren wir weiter direkt in den Haupthafen von Limnos. Dort fiel der Anker im Vorhafen um 16:23 Uhr. Außer uns waren noch fünf weitere Boote vor Anker. Am Stadtkai war kein Platz. Für die nächsten Tage war ein kräftiger Meltemi angekündigt. Als frühmorgens ein Segelboot vom Kai ablegte, legten wir dort an. Wir waren auf dem äußersten Platz für Sportboote. Neben uns lag noch ein Ausflugsschiff längsseits, der viel Platz zum Rangieren beim An- und Ablegen brauchte. Aus der Ferne sah es so aus, als ob zwischen uns und dem Ausflugsboot noch ein Boot passte, deshalb legten nacheinander drei Boote an, die dann unglaubliche Szenen provozierten. Das erste Boot mit einem belgisch/irischen Paar an Bord legte an. Wolfgang nahm die Leinen an. Dabei flog eine Leine in sein Gesicht und seine Brille von der Nase! Tauchen im Hafen von Limnos gehört für ihn anscheinend zum Ritual, schnell zog er sich aus und tauchte nach der Brille. Nachdem er sie auch im zweiten Versuch nicht gefunden hatte, suchten wir nochmal den Kai ab. Sie lag dort unversehrt. Erleichtert gingen wir an Bord. Es dauerte nicht lange bis der Besitzer des Ausflugsbootes kam und resolut unseren Nachbarn erklärte, dass sie dort nicht bleiben konnten. Die beiden legten ab und gingen vor Anker. Bald darauf legte ein nächstes Boot an. Diesmal erlebten wir ein Verhalten, das zum Glück bis jetzt einmalig blieb. Der deutsche Skipper ließ sich durch uns nicht davon abhalten, in der Lücke anzulegen, obwohl wir ihm sagten, dass das große Boot den Platz brauchte. Stattdessen ging dieser Skipper auf das Boot neben uns auf Steuerbord und änderte dessen Leinen so, dass das Boot weiter zu seinem rechten Nachbarn hing. Dadurch war die Lücke zwischen diesem Boot und Meerkat größer. Er nötigte uns, unsere Leinen auch so zu ändern, dass Meerkat nach rechts wanderte. Nun meinte er, wäre ja noch genug Platz für sein Boot und das Ausflugsboot. Das ging nur, indem die Leinen unserer Nachbarn rechts und links zwischen unseren Relingstützen durchgezogen wurden. Wir waren regelrecht gefangen zwischen den beiden Booten. Als der Eigner des Ausflugsbootes wieder kam, war er extrem ärgerlich, schimpfte zunächst uns und schrie später unseren Bootsnachbarn an, als dieser wieder zu seinem Boot zurückkehrte. Dieser schrie genauso zurück. Schließlich rannte der Deutsche höchst erregt zur Hafenpolizei. Nach ein paar Minuten kam er wieder. Nun unterhielten sich die beiden Streithähne wirklich. Sie einigten sich, dass das Segelboot auf jeden Fall abgelegt haben müsse, bevor das Ausflugsschiff am nächsten Morgen auslief. Offensichtlich hatte der unfreundliche Skipper doch ein schlechtes Gewissen, jedenfalls fanden wir später eine Flasche Wein in unserem Cockpit. Am nächsten Tag legte das Boot früh ab und es gab Chancen für neue Aufreger für den armen Eigner des Ausflugsbootes. Während das Ausflugsboot unterwegs war, legte ein großer Katamaran (Lagoon) dort an und tankte schnell mal 1000 Liter Wasser von dem Anschluss des Ausflugsbootes. Auch hier kam der Eigner wieder dazu und zeterte lautstark. Der Skipper des Katamaran wirkte uneinsichtig, gab dem Kapitän aber letztendlich 5 € als Entschädigung. Nachdem das Ausflugsschiff wieder angelegt hatte, legte an besagter Stelle ein Charterboot mit polnischer Crew an. Auch dieses Boot musste am nächsten Morgen sehr früh den Liegeplatz verlassen, damit das Ausflugsboot wieder auslaufen konnte. Einige der Boote, die im Norden immer mal wieder trafen, kamen jetzt auch nach Myrina. Schließlich mussten alle die nächste heftige Meltemiphase mit Windgeschwindigkeiten im Hafen von bis zu 36 kn abwettern. Die meisten Boote waren jetzt auf dem Weg in ihr Winterlager. Wir stellten fest, dass wir einige unserer Weggefährten wieder in Limni auf Euböa treffen werden. Wir selbst dachten noch nicht an den Winter, denn noch lagen 8 Wochen Segeln vor uns. In einem Baumarkt fanden wir günstigen Stoff, aus dem ich von Hand Sonnensegel nähte. So war die Zeit des Wartens auf gnädige Winde gut genutzt. Auch die Fischer nutzen diesen Stoff als Sonnenschutz.

1.9.2019
Nach 11 Tagen in Myrina segelten wir am 1.September nach Agios Efstratios, eine Insel die wir schon im letzten Jahr in unser Herz geschlossen hatten. Der Weg dorthin war geprägt von schönem Wind mit einer noch heftigen Welle, die sich durch den tagelangen Starkwind aufgebaut hatte. Wir lieben die Herausforderung und freuten uns, dass wir den Motor nur zum Ab- und Ablegen brauchten. Zum Glück war Platz für uns in dem kleinen Hafen. Unsere ausführlichen Spaziergänge und Joggingrunden überzeugten uns erneut von der wilden Schönheit dieser Insel. Im Laufe der nächsten Tage füllte sich der Hafen. Wo eigentlich Platz für nur drei Segelboote war, lagen inzwischen sieben Segelboote, teils im Päckchen, teils an der sehr schwelligen, sonst nicht benutzten Außenpier. Die Bedingungen draußen auf dem Meer waren so schwer, dass alle zusammenrückten und sich gegenseitig halfen. Wir besuchten neugierig das Demokratiemuseum. Hier wird die neuere Geschichte Griechenlands aufgearbeitet. Speziell ging es um die Verfolgung und Verbannung politisch Andersdenkender, insbesondere Linker. Die Menschen wurden auf einsame und karge Inseln verbannt, lebten in Lagern und mussten unter primitiven Bedingungen sich selbst ernähren.. Auf Agios Efstratios waren bis zum großen Erdbeben 1968 hauptsächlich politisch unerwünschte Personen untergebracht. Die Verbannungen gab es bis zum Ende der Militärdiktatur 1974. Mich hat dieser Besuch im Museum sehr beeindruckt. Diese Ereignisse sind noch nicht lange vorbei. Ich bin sehr froh, dass die Griechen jetzt so friedlich zusammen leben.
Zu den Molenfresken des Berichts aus 2018 gesellten sich drei weitere, offenbar in Fortsetzung des Programms „Die Farben auf den griechischen Inseln (Χρώμα Στα Ελληνικά Νησιά)“.

Inschrift: und die Erklärung wird irgendwann kommen, wenn man keine Erklärung mehr braucht
Das letzte Bild ist möglicherweise noch nicht vollendet. Leider liegen uns noch keine Erklärungen der Bilder vor.

Hier in Ágios Efstrátios trafen wir auch Stelios und Kristina mit ihrem Boot. Es entwickelte sich ein sehr netter und intensiver Kontakt. Das freute mich sehr, wir unterhielten uns hauptsächlich auf griechisch. Kristina unterrichtet griechisch für Ausländer und konnte sich gut auf unsere unvollkommenen Griechischkenntnisse einlassen. Stelios ist ein passionierter Segler und gab uns wertvolle Tipps für die Weiterreise. Wir tauschten unsere Telefonnummern und verabredeten uns für nächstes Jahr in Thessaloniki. Aufgrund der Wettervorhersage und Stelios eindrücklichen Warnungen vor den üblen Bedingungen (Welle, Meltemi) auf der Strecke nach Psará, entschieden wir uns, den „Abstecher“ nach Léros über Psará und einige andere Inseln nicht zu machen, sondern als nächstes größeres Etappenziel die Peloponnes anzusteuern.