Für den 20. Mai waren günstige Wetterbedingungen, um in Richtung Süden nach Kreta zu kommen, vorhergesagt. Wir veranschlagten ungefähr 22 h für die Strecke. Um bei Tageslicht anzukommen, starteten wir mittags in Milos.
Die Küste von Milos beeindruckte mich sehr. Sie ist sehr abwechslungsreich in Form und Farbe. Statt, wie angekündigt, aus Nordost kam der Wind zunächst aus Südwest. Erst 12 Stunden später als vorhergesagt drehte der Wind, und wir konnten ab Mitternacht bis ca. 6 Uhr den Motor schweigen lassen. Teilweise waren wir recht flott unterwegs, sodass ich mich entschied, den relativ schwachen Wind in den frühen Morgenstunden auszusitzen. Als dann allerdings eine Fähre von achtern zügig auf uns zu kam, starteten wir doch den Motorum den Kurs ändern und ihr Platz machen. Wir hätten als Segler Vorfahrt gehabt, aber der Klügere gibt nach. Unser Ziel Souda liegt in unmittelbarer Nähe der Stadt Chania sehr geschützt in einer Bucht. Der Kanal dorthin führt an einem NATO-Stützpunkt vorbei. Man darf ihn nur tagsüber passieren und natürlich nicht fotografieren. Im „Greek Waters Pilot“, einem unserer wichtigsten Bücher über das griechische Mittelmeer wird man davor gewarnt, außerhalb des erlaubten Kanals zu fahren. Es könnten noch U-Boot Fangnetze installiert sein. Der zunächst angepeilte Fischerhafen war mit einheimischen Dauerliegern, teilweise alten Rostlauben, komplett voll. In der Zeit, in der wir dort waren, hat kein Boot den Hafen verlassen. Wir ankerten um kurz nach 10 Uhr in der Bucht vor dem Hafen. Nach dem wohlverdienten Frühstück war zunächst schlafen angesagt. Außer uns waren nur noch 2 weitere Segelboote in der Bucht. Eines war unbewohnt und auf dem anderen, einem Schoner, wohnte Hugh, ein Brite, schon seit vielen Jahren. Er kam mit seinem Dinghi zu uns ans Boot. Wir plauderten und verabredeten uns locker, aber es ergab sich kein weiteres Treffen.
Von unserem Ankerplatz ließ sich das Treiben im Industriehafen von Souda gut beobachten. Fast täglich kam morgens ein Kreuzfahrtschiff an und legte abends wieder ab. Die Gäste wurden mit Bussen in das 10 km entfernte Chania gefahren. Am Strand vor unserem Ankerplatz gab es zwei Tavernen. Wir fuhren mit dem Dinghi zu einer von ihnen. Das Wasser ist so flach, dass wir den Motor hochnehmen mussten und uns die letzten Meter an Land treiben ließen.
Wir zogen das Boot auf den Sandstrand direkt vor der Taverne und erforschten die Gastronomie. Das Essen war besser als das Mobiliar, aber wir waren nicht überzeugt. Ich ging noch in den Ort, um unsere Vorräte aufzufüllen. Da wir in den letzten Wochen hauptsächlich in sehr ruhigen Gegenden unterwegs waren, war ich regelrecht geschockt von dem hektischen Verkehr auf Soudas Straßen. Ich war froh, dass Wolfgang mich mit dem Dinghi in dem kleinen Fischerhafen abholte. Drei Tage lang wehte ein heftiger Ostwind und wir hatten reichlich Schwell in der Bucht. Wir ließen Meerkat unter diesen Bedingungen ungern allein.
Als sich das Wetter wieder beruhigt hatte, fuhren wir an einem Tag mit dem Bus nach Chania. Die enge verwinkelte Altstadt hat ihren eigenen Charme, ist aber leider sehr auf Tourismus ausgerichtet. Es hat mich an Heidelbergs Altstadt oder an Rothenburg ob der Tauber erinnert, wo man auch häufig die Schönheit der Stadt durch die Touristen und den Tourismus nicht mehr wahrnehmen kann.
Trotzdem fanden wir ein nettes Lokal in einer Seitenstraße. Die Tische stellten fast den Weg zu. Das Essen war lecker und gesund.
Natürlich schauten wir uns auch den Hafen in Chania an. Er ist sehr alt und eng. Die Zufahrt ist wegen vorgelagerten Felsen und bei Nordwind heftiger Brandung gefährlich. Und wenn man dann im Hafen liegt, ist man mitten im Touristenrummel. Wie gut, dass wir uns für Souda entschieden hatten! Wir hatten noch ein paar ruhige Tage in der Bucht bis die Wetterlage günstig war, um Richtung Osten nach Rethymno zu segeln.