Ägäis 2019

Tidenströme wie in der Nordsee

Hafen von Achillio
Track Chalkida - Bucht von Larymna
Chalkida – Bucht von Larymna
15. Mai.2019

Am 15. Mai 2019 verließen wir die trubelige Pier in Chalkida und suchten Ruhe nach den beiden Tagen in der Stadt. 17 nm und knappe 4 Stunden entfernt im nördlichen Golf von Euböa liegt an der Küste von Mittelgriechenland die Bucht von Larymna. Obwohl die Gegend hier eher windarm ist, konnten wir doch den größten Teil der Strecke segeln. Die Küste war hier beeindruckend grün und erinnerte mich an die Toskana. So freuten wir uns auf eine ruhige und gute Nacht in einer traumhaften Bucht.

Den rauchenden Schornstein am Horizont nahm ich zwar wahr, aber dass wir in unmittelbarer Nähe einer Eisenhütte ankern würden, hatten wir nicht erwartet. Aber es war Abend und wir fühlten uns sicher für die Nacht. Der Ankergrund hielt gut. Das Wasser war dunkelbraun, die Wolken aus den Schornsteinen waren braun. Ich hatte den Eindruck, dass Meerkat innerhalb von kürzester Zeit auch braun aussehen würde. Diese Fabrik verbreitete eine depressive Stimmung. Mir tun die Menschen leid, die hier wohnen und arbeiten. In den Bergen direkt hinter der Eisenhütte wird im Tagebau Erz abgebaut, das dann in der Fabrik verhüttet wird. Koks für das Feuer kommt auf dem Seeweg. Ich las im Internet, dass hier wertvoller Rohstoff für die Herstellung von Edelstahl gewonnen wird.  In der Nacht baute sich auch noch Schwell auf, sodass wir eine in jeder Hinsicht unruhige Nacht hatten.

Bucht von Larymna - Loutra Gialtron
Bucht von Larymna – Loutra Gialtron
16. Mai 2019

Am nächsten Morgen war Meerkat leicht gebräunt, aber wir konnten wieder befreit durchatmen, als wir dieser Bucht den Rücken kehrten. Das nächste Zwischenziel war Loutra Gialtra an der Küste Euböas. Loutra vor einem Ortsnamen bedeutet, dass es der Badeort zu einem Ort im Hinterland ist. Der Wind im Golf war komplett eingeschlafen. Unser Motor war im Dauereinsatz Dieser kleine Badeort hatte Charme.  Nach der Tristesse der letzten Bucht fühlten wir uns hier wie im Paradies. Vom Boot aus war nicht genau zu sehen, ob eine der Tavernen geöffnet war. Ich rief bei Taverna Angeliki an und bekam die Antwort, dass sie uns erwarten. Als wir dort ankamen, würden wir sehr herzlich begrüßt. Sie hatten sich gefreut und waren offensichtlich überrascht, dass ihre Telefonnummer im Internet zu finden war. Eine Speisekarte gab es nicht. Angeliki holte frische Kalamari aus dem Kühlschrank, wovon ich mir einen auswählte, den sie mir sehr lecker zubereitete. Für das Hähnchenfleisch für Wolfgang wurde extra der Grill angezündet. Dazu gab es Salat und Saganaki, Wein und Wasser. Das alles zu einem sehr günstigen Preis. Angeliki erzählte uns, dass hier einige deutsche Familien wohnen.  Wie zur Bestätigung sprachen alle weiteren Gäste, die in die Taverna kamen, deutsch.  Anschließend nahmen wir noch ein Fußbad in der heißen Quelle, die direkt nebenan ins Hafenwasser floss. Der Tidenhub ist auch hier immer noch beeindruckend. Unser Dinghi war jetzt so tief unterhalb der Pier, dass ich es gerade eben schaffte, mit den Füßen den Rand des Dinghis zu berühren. Das war bestimmt amüsant anzusehen, wie ich ins Beiboot stieg, aber ich kam trocken rein.  Zurück an Bord, machten wir noch die Planung für den nächsten Tag.

Gialtra - Achillio
Gialtra – Achillio
17. Mai 2019

Unser nächstes Ziel war Achillio in der ersten Bucht an der Einfahrt zum  Golf von Volos. Dort hatten wir einen Bekannten, der uns hoffentlich bei der Lösung unseres Gasproblems helfen können würde. Unsere Strecke führte um das westliche Kap von Euböa herum. Hier waren wieder besonders starke Tidenströmungen und Untiefen zu erwarten. In unserem Handbuch über dieses Seegebiet fanden wir eine Tabelle, nach der, abhängig von der Mondphase, die Richtung der Strömung angegeben war. Das brachte uns die bittere Erkenntnis, dass die beste Zeit für diese Passage am nächsten Tag morgens kurz vor 8 Uhr sein würde. Früh aufstehen war mal wieder angesagt.

Fischerboot im Morgengrauen
Fischerboot im Morgengrauen

Um kurz nach 6 Uhr war der Anker frei und die Reise begann. Ich mag die Stimmung der Morgendämmerung besonders gerne, sodass ich dafür auch gerne gelegentlich früh aufstehe. So ganz kam unsere Strömungsberechnung nicht hin, wir kamen sehr schnell voran.

Strömung im Poros Lichadon
Strömung im Poros Lichadon (Furt) 4,1 kn nordwärts

Als wir dann am Kap waren, nahm die Strömung schnell und stetig zu, wir hatten bis zu 4,1 kn Strom mit uns. Wir wollten nicht zu schnell fahren, um besser auf Untiefen reagieren zu können, aber schnell genug, um noch genügend Fahrt durchs Wasser zu machen, damit Meerkat noch steuerbar blieb. Es war fast windstill, unser Motor wurde bis kurz vor der Einfahrt in den Golf von Volos durch den hier beträchtlichen Tidenstrom unterstützt. Am Ende der ersten Bucht gleich auf Backbord lag unser Etappenziel, der kleine Ort Achillio mit seinem recht gut ausgebauten Hafen.

Bucht von Achillio
Bucht von Achillio

Dort wollten wir am Stadtkai anlegen. Es gibt Mooringleinen, die wir gerne nutzen, weil beim römisch-katholischen Anlegen Ketten und Leinen auf dem Grund des Hafenbeckens den Anker blockieren können. Hafenkino mit Tauchgängen wäre dann vorprogrammiert. Leider waren zunächst keine Mooringleinen frei. Deshalb ankerten wir frei nebenan in der Bucht, um abzuwarten, ob noch Boote den Hafen verließen und damit Liegeplätze frei würden.  Nach vergeblichem Warten entschieden uns dann,  an der gegenüberliegenden Mole anzulegen.  Dort konnten wir Mooringleinen aufnehmen,  hatten allerdings weder Strom-  noch Wasseranschluss.

Klein-Meerkat im Hafen von Achillio
Klein-Meerkat (vorn) im Hafen von Achillio

Als am nächsten Tag am Stadtkai ein Platz frei wurde, verholten wir uns dorthin. Wir fanden unseren Bekannten in seiner Werkstatt. Er wollte noch am Abend zu uns kommen, um mit uns über eine Lösung des Gasproblems zu reden. Er kam dann zwei Tage später und meinte, unsere Gasflaschen könnten in der Nähe gefüllt werden. Sein Freund würde am Montag sowieso nach Volos fahren und könnte sie auf dem Weg dorthin füllen lassen. Leider kam dieser Freund mit leeren Flaschen zurück. Es scheint tatsächlich nicht mehr möglich zu sein, unsere britischen Flaschen hier in Griechenland füllenzulassen. Es gibt laut Internet hier 5-kg-Gasflaschen, die in unsere Halterungen passen, leider konnten weder wir noch unser Bekannter solche finden. Inzwischen war auch unsere zweite Gasflasche komplett leer. Wir kauften eine 11kg-Gasflasche. Sie wurde über einen Druckminderer direkt an den  Schlauch angeschlossen. Der Nachteil war, dass die Gasflasche nur im Stehen betrieben und nur im Liegen transportiert werden kann, weil sonst die Abdeckung nicht geschossen werden kann. Unsere Hoffnung war, jetzt in Thessaloniki die passenden Flaschen zu bekommen. Bis dahin sind wir zumindest mit Gas versorgt.

Badestrand von Achillio
Badestrand von Achillio

Wir nutzten die Zeit , um uns endlich wieder mehr an Land zu bewegen. In dieser Woche tauchte noch ein weiteres Problem auf. Da wir jetzt doch eine gante Woche in Achillio lagen, wurde unser Bargeld knapp. Es hieß, der nächste Geldautomat wäre in Glyfa, etwa 10 Kilometer entfernt. Wir schauten auf Google Maps im Internet nach. Ja, dort war ein Geldautomat eingezeichnet. Es gab eine Busverbindung dorthin. Der Ort war nicht 10 sondern nur knappe 8 Kilometer entfernt. Wir beschlossen zu Fuß zu  gehen. Zurück könnten wir ja den Bus nehmen. Die erste Teilstrecke konnten wir auf Feldwegen gehen. Später gingen wir die zum Glück nicht sehr befahrene Straße entlang.

Drachenwurz
die Gemeine Drachenwurz (Dracunculus vulgaris)

Unterwegs entdeckten wir schöne, uns unbekannte Pflanzen, wie zum Beispiel die Gemeine Drachenwurz, ein Aronstabgewächs. Die Olivenbäume standen in voller Blüte, leider sahen wir auch viele Olivenbäume mit starkem Schädlingsbefall.

Bucht von Glyfa
Bucht von Glyfa mit der gegenüberliegenden Küste von Euböa

Als wir ungefähr den höchsten Punkt der Wanderstrecke erreicht hatten, hatten wir wunderschöne Ausblicke einerseits auf noch verschneite Gebirge im Festland und andererseits auf die sattgrüne Küstenlandschaft umspielt vom blauen Meer.

Bucht von Glyfa und Kanal von Orei
Bucht von Glyfa und Kanal von Orei

In Glyfa angekommen erfuhren wir, dass der Geldautomat im letzten Jahr abgebaut worden war. Wir hatten noch genügend Bargeld, um uns ein kleines Mittagessen dort zu leisten. Unser Bargeldproblem vertagten wir auf Skiathos, die Partyinsel, wo es sicherlich Geldautomaten gab. Weil wir keine Lust hatten, mehr als zwei Stunden auf die Abfahrt des Busses zu warten, gingen wir auch den Rückweg kurzerhand zu Fuß. Immer wieder freut es mich zu sehen, wie unterschiedlich ich den gleichen Weg wahrnehme, wenn ich ihn in die andere Richtung gehe. Es ist ja auch eine ganz andere Perspektive.