Ägäis 2019

Rund Peloponnes II – Mesolongi

Mesolongi - Brunnen

Markos-Botsaris-Platz in Mesolóngi

Kalamata-Pylos
Kalamáta-Pýlos

Am 6. Oktober 2019 entschieden wir uns, nicht mehr länger auf den passenden Westwind zu warten, um zurück zur Insel Euböa zu kommen. Wir planten nun, die Peloponnes vollständig zu umrunden und durch den Kanal von Korinth zurück in die Ägäis zu kommen. Wir erhofften uns insgesamt bessere Segelbedingungen als auf der westlichen Route. Noch am späten Nachmittag legten wir im Stadthafen von Kalamáta ab und ankerten in der Bucht östlich vom Hafen. Es war nicht ganz leicht hier zu ankern, es gibt eine relative Untiefe mit etwa 8 m. Diese ist zum Teil mit Seegras bewachsen. Beim zweiten Versuch hielt der Anker in 8,9 m Tiefe. In unserem Dinghi war noch Regenwasser vom Starkregen vor zwei Tagen. Um dieses unnötige Gewicht loszuwerden, zog ich den dafür vorgesehenen Stöpsel. Leider hatte ich nicht vorher wahrgenommen, dieser nicht mehr mit seiner Sicherungsleine verbunden war. Der Stöpsel fiel ins Wasser und versank in Windeseile. Ich sprang hinterher, konnte ihn aber nicht mehr erreichen. Das war richtig blöd, so war unser Dinghi nicht mehr schwimmfähig. Wir hatten kein einsatzfähiges „Rettungsboot“ mehr! Der Abend war verdorben, unserer beider Laune  auf einem bisher nicht gekannten Tiefpunkt! Aus Flaschenkorken bastelte ich einen Notstopfen. Er war nicht total dicht, aber so versank unser Beiboot wenigstens nicht direkt nachdem es ins Wasser gelassen wurde.  Um genau sechs Uhr am nächsten Morgen waren wir unterwegs zur nächsten Umrundung eines Kaps, dem A. Akrítas. Der westliche Finger der Peloponnes ist breiter als die anderen, deshalb ist hier der „Kapeffekt“ nicht so stark ausgeprägt. Doch der Wind änderte sich zu unseren Gunsten. Wir konnten endlich segeln. Unsere Route führte uns zwischen der Südküste und den vorgelagerten Insel hindurch. Es gibt einige Untiefen und es sind beträchtliche Strömungen zu erwarten. Als wir zwei Jahre vorher hier segelten, war es dunkel. Jetzt bestaunten wir die beeindruckende Küste.

Methoni
Methóni

Kurz nachdem wir die imposante Festung von Methóni passiert hatten und Kurs nach Norden nahmen, änderte sich auch das Wetter: es regnete und der Wind dreht sich zunehmend gegen uns. Zum Glück hat Meerkat einen Motor, der auch zuverlässig funktioniert, denn das Wetter verschlechterte sich zunehmend. Als wir in Pýlos ankamen, hatten wir 18 kn Wind von vorne und einen kalten unangenehmen Platzregen. Es war halt Herbst. In diesem Regen barg ich das Großsegel mit dem selbstironischen Gedanken “ ich mache alles gerne und mit Hingabe“. Also ließ ich mich nass schütten. Irgendwann hört jeder Regen auf. Dieser stoppte, während wir in der Marina von Pýlos anlegten. Obwohl inzwischen die Segelsaison vorüber war, fanden wir nur einen allerletzten Platz längseits neben der Slipanlage. Diese Marina wurde im Rohbau mit Fördergeldern der EU fertig gestellt,  ist aber bis heute nicht in Betrieb genommen und so dem langsamen Verfall ausgesetzt. Es gibt keine Liegegebühren, daher sammeln sich hier einige sogenannte Seelenverkäufer, also verrottende Boote, die so vom Besitzer preisgünstig entsorgt wurden. Neben Fischerbooten gibt es auch noch einige wenige bewohnte Boote. Andere sind gebührenfrei geparkt bis zum nächsten Törn. Der Ankergrund in der Bucht ist nicht schlecht. Notfalls hätten wir auch dort übernachten können. So aber war es schöner. Wir konnten spazieren gehen, etwas Obst und Gemüse einkaufen und die Bewegung genießen.

Pylos-Katakolo
Pýlos – Katákolo
8. Oktober 2019

Der nächste Abschnitt unserer Reise startete nicht ganz so früh am Morgen. Erst nach acht Uhr legten wir ab. Um etwas abzukürzen, wählten wir eine enge Passage zwischen hohen schmalen Felsen hindurch um die Bucht von Navarino (Pylos) zu verlassen.

Passsage zwischen den Felsen vor Pylos
Passsage zwischen den Felsen vor Pylos

Diese Landschaft wirkte „begeistert“, als ob die vielen Seelen der Soldaten, die hier ihr Leben lassen mussten, hier herumgeistern.

Geisterfelsen
„Geisterfelsen“ vor Pylos

Auf einem der Felsen soll ein Kloster sein. Vielleicht gibt es auch gute Geister dort. Unsere Route führte weiter nach Norden. Wir spielten mal wieder das „Motor aus – Motor an“ Spiel. Unser Ziel, den Hafen von Katákolo, war relativ leicht anzusteuern. Schon nach ungefähr 30 von 52 nm sahen wir am Horizont weiße Punkte, mit denen wir eine stehende Peilung hatten. Sie lagen also genau auf unserem Weg. Irgendwann stellten wir fest, dass es sich dabei um Schiffe handelte, die sich aber nicht  bewegten.  Noch später nahm eines der beiden Fahrt auf und unser AIS verriet uns, dass es sich um ein Kreuzfahrtschiff handelte. Der Hafen von Katákolo war zu einem Kreuzfahrtterminal ausgebaut. Täglich legen hier mehrere Kreuzfahrtschiffe an. Von hier aus werden die Touristen mit Bussen zu der Ausgrabungsstätte des antiken Olympia gebracht. Gerade als kurz vor der Hafeneinfahrt waren, begann sich auch das zweite Schiff zu bewegen um abzulegen. Wir durften nicht die enge Hafeneinfahrt mit Meerkat blockieren, sondern mussten ausweichen und warten. Auf der Seekarte war ein Wellenbrecher eingezeichnet, den wir nicht sehen konnten, der uns aber gerade deshalb Sorgen bereitete. Er könnte unter Wasser trotzdem vorhanden sein. In der eine  Richtung war das Kreuzfahrtschiff,  in der anderen vielleicht ein Wellenbrecher,  in der anderen Richtung wurde das Wasser flach. Es ging alles gut, aber die Zeit, bis das Schiff den Hafen verlassen hatte, kam uns endlos lang vor. Wir legten problemlos längsseits am Kai an. Als wir gerade Meerkat festgemacht hatten, kam die Port Police und schickte uns an die gegenüberliegende Pier. Dort waren Mooringleinen ausgelegt. An der Wand der Pier gab es in regelmäßigen Abständen Metallgestelle, die vielleicht einmal Ausstiegshilfen für die Boote, jetzt aber eher „Zerstörungshilfen“ waren. Es gab auch Bereiche in diesem Becken, wo das Wasser sehr flach war, sodass selbst wir  dort nicht mit Meerkat anlegen konnten. Endlich hatten wir einen Liegeplatz gefunden und Meerkat an einer Mooringboje fixiert. Nachdem wir mühsam in der Dämmerung die Landleinen ohne Hilfe von Land ausgebracht hatten und Meerkat fest war, kam ein Einheimischer, gab uns seine Visitenkarte und meinte, wir sollten in seine Taverne kommen. Wir wollten jetzt lieber unsere Ruhe haben und blieben an Bord. Das ganze Hafenbecken war unglaublich schmutzig. Deshalb waren wir nicht traurig,  am nächsten Morgen weiter zu ziehen, ohne in Olympia gewesen zu sein.

Katakolo-Kyllini
Katákolo-Kyllíni
9. Oktober 2019

Den Hafen von Kyllíni, unser nächstes Ziel, kannten wir schon. Zwei Jahre zuvor hatten wir, von Reggio di Calabria kommend, in Kyllíni zum ersten Mal auf unserer Reise griechischen Boden betreten. Damals trafen wir dort unsere Griechischlehrerin aus Wilhelmshaven. Diesmal begrüßte uns, kurz nachdem wir angelegt hatten, ihr Bruder. Er erklärte uns, was es mit den verlassenen Booten hier im Hafen auf sich hatte: diese waren auf dem Weg nach Italien von der Port Police kontrolliert und beschlagnahmt worden. Es waren zuvor gestohlene Segelyachten auf denen Schlepper mit 60 bis 90 Migranten an Bord waren, die von Griechenland nach Italien übersetzen wollten. Die Boote waren zur Versteigerung freigegeben, es gab wohl keine Gebote darauf, obwohl sie weit unter Wert angeboten wurden. Er hatte den Auftrag, sich um diese Boote zu kümmern. Wir blieben nur eine Nacht in Kyllíni. Wir mussten Wetterfenster nutzen, denn wir hatten noch einige Seemeilen vor uns.

Kyllini-Mesolongi
Kyllíni-Mesolóngi
10. Oktober 2019

Am nächsten Tag fuhren wir unter Segeln mit Motorhilfe zunächst die Westküste der Peloponnes in Richtung Norden. Der Wind blies meistens schräg von vorn. Es gab eine beträchtliche Strömung, die umso stärker wurde, je näher wir dem nordwestlichen Kap der großen Halbinsel kamen. Wir mussten tüchtig gegenlenken und dadurch noch höher am Wind segeln. Unsere Genua, die unser hauptsächliches Zugpferd ist, mussten wir immer wieder einholen, weil sie sonst einfiel. Sobald wir wieder etwas weniger hoch am Wind fahren konnten, rollten wir sie wieder aus. Meine Armmuskeln wurden dabei gut trainiert. Eine große Fähre, die Richtung Pátras fuhr, zwang uns zur Kursänderung. Wieder gegen den Wind. Insgesamt konnten wir etwa 10 Minuten segeln während wir den Golf von Pátras kreuzten.

Der Küstenabschnitt vor Mesolóngi ist sehr flach und von Lagunen geprägt. Ein Kanal durch diese Untiefen führt in den Hafen von Mesolóngi.

Pfahlbauten
Pfahlbauten im Kanal vor Mesolóngi

Wir fuhren an Häusern, die auf Pfählen gebaut sind vorbei. Da man zumindest in Deutschland in Kanälen nicht segeln darf, nahmen wir vor der Einfahrt beide Segel herunter.

Trimaran
Trimaran unter Segeln im Kanal vor Mesolóngi

Kurz darauf überholte uns ein Trimaran unter Segeln. Wir kamen nicht hinterher und mussten ihm auch den besseren Platz im Hafen überlassen. Die schöne Stadt Mesolóngi begrüßte uns mit einem kräftigen Platzregen, der zum Glück erst einsetzte, nachdem Meerkat fest war. Mesolóngi  darf sich „heilige Stadt“ nennen, sie hat sich im Kampf gegen die türkische Herrschaft besonders verdient gemacht.

Meyer-Str
Johann-Jakob-Meyer-Straße in Mesolóngi

Was uns aber zunächst verblüffte, waren die Straßennamen! Es gibt dort unter anderen eine Johann-Jakob-Meyer-Straße, eine Paul-Ehrlich-Straße und eine Wilhelm-Müller-Straße. Im Park der Helden haben viele Philhellenen ihre Denkmäler.

Denkmal für philhellenische Deutsche
Denkmal für philhellenische Deutsche

Auf mehr oder weniger wirksame Weise haben diese gegen den Verfall der „klassischen griechischen Kultur“ gewirkt.

Ausschnitt daraus
Inschrift: „Den Deutschen, die dem heldenhaften Mesolongi ihr Leben gaben“

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden hier erbitterte Kämpfe zwischen dem osmanischen Reich und Griechenland geführt, das es in seiner jetzigen Form damals noch nicht gab. Die sieggewohnten Türken konnten Mesolóngi erst im zweiten Anlauf einnehmen. Die zweite Belagerung endete allerdings für 90% der Einwohner, einschließlich der anwesenden Philhellenen, tödlich. Man schätzt, das etwa 1000 Menschen das Massaker überlebten. Als 1830 der erste griechische Staat gegründet wurde, wurde Mesolóngi zum Sitz des orthodoxen Metropoliten. Bis heute wird in der Stadt viel Wert auf Sport und Kultur gelegt. Es gibt mehrere Stadien und 3 Musikschulen.

In einem Hotel in der Nähe des Hafens waren viele Migranten untergebracht. Sie waren anscheindend gut versorgt und strahlten Lebensfreude aus. Das war schön zu sehen. Viele Jugendliche und junge Männer liefen täglich in Sportkleidung zum nahegelegenen Fußballplatz.

Straßenhunde in Mesolongi
Straßenhunde in Mesolóngi

Im Hafengebiet wohnten auch etwa 9 Straßenhunde, die meine zugegebenermaßen schon sehr abgetragenen Sandalen und unsere neue Fußmatte zerkauten, die wir über Nacht vor dem Boot am Kai gelassen hatten..

Sandale
meine angenagte Sandale

Wir blieben hier fünf Tage, da im Golf von Pátras und Korínth steifer Ostwind wehte und wir ostwärts wollten. Wir konnten unsere Wasservorräte mit dem wirklich guten Trinkwasser auffüllen und auch die Lebensmittelvorräte waren wieder vollständig. Am 14. Oktober 2019 verließen wir unseren Liegeplatz an der Stadtpier und ankerten in der Bucht vor dem Hafen.

Mesolongi_Hafen
Hafen von Mesolóngi