Ägäis 2019

Das Schauspiel von Chalkida

Brücke von Chalkida

Schiebebrücke von Chalkida

Vouvo-Chalkida
Bucht von Vouvo – Chalkida
13. Mai 2019

Nach einer sehr erholsamen Nacht verließen wir die schöne Bucht von Vouvo mit dem Ziel Chalkida. Es war so gut wie windstill, der Himmel wolkenverhangen. Der Motor tuckerte und bewegte Meerkat und uns stetig weiter Richtung Nordwesten. Wir beobachteten zwei Fähren, die die Stadt Eretria auf Euböa mit Skala Oropos verbinden. Beide legten gleichzeitig ab, begegneten sich ungefähr in der Mitte um an der anderen Seite wieder anzulegen. Wir erreichten die Fähren genau dann, als diese sich gerade aufeinander zu bewegten. Erst warteten wir, um die eine Fähre vorbei zu lassen, dann gaben wir Gas, um vor der anderen durch zu kommen. Die geschichtsträchtige Stadt Eretria war in der Antike größer und wichtiger als Athen und wird eingereiht in die später noch zu erkundenden Orte in diesem wunderbaren südlichen Golf von Euböa, auf dessen Ende wir jetzt zusteuerten. An der Einfahrt in die Straße von Euripos beträgt die Entfernung zwischen den Ufern vom Festland und Euböa nur etwas mehr als 500m. Insgesamt ist der Euripos 8 Kilometer lang und zwischen 40 Meter und 1,6 Kilometer breit. Die maximale Wassertiefe variiert zwischen 7 und 14 Metern.

grüne Tonne
Strömung um grüne Tonne

Die Durchfahrt ist betonnt, mit einem wachsamen Auge auf das Echolot passierten wir die Engstelle. In diesem Seegebiet gibt es starke Strömungen, die alle sechs Stunden ihre Richtung wechseln. Das konnten wir gut beobachten anfangs half uns der Strom später bremste er uns.

Dirfys mit Schneegipfel
Dirfys mit Schneegipfel

Der Himmel war bedeckt, in dem grau am Horizont entdeckten wir einen Berggipfel auf dem noch Schnee lag. Wir wollten es erst gar nicht glauben, aber es war wirklich Schnee.  Es muss wohl das Dirfys-Gebirge sein, ein schneesicheres Wintersportgebiet auf Euböa. Wir lenkten unser Augenmerk wieder aufs Wasser, das wegen der vielen Untiefen und der starken Strömung mit besonderer Vorsicht zu durchfahren ist. Das griechische Festland und Euböa sind neben zahlreichen Fähren durch zwei Brücken mit einander verbunden: eine Hochbrücke,  die 1992 fertiggestellt wurde und unter der Schiffe mit einer Masthöhe bis zu 36 m durch fahren können.

Hochbrücke zwischen Festland und Euböa
Hochbrücke zwischen Festland und Euböa

Die Perspektive war verblüffend, es sah nicht so  aus als wäre noch viel Platz zwischen der Mastspitze und der Fahrbahn der Brücke. Aber der Mast von Meerkat ist nur 14 m hoch. Es mussten also noch 22 m Abstand zwischen Masttop und Fahrbahn sein. Jetzt erweiterte sich die Straße von Euripos nochmal. Zu unserer Linken war ein riesiges Ankerfeld, rechts kam schnell die Einfahrt in die Marina und der Industriehafen von Chalkida. Der Kai erstreckt sich bis zu der zweiten Brücke, die die beiden Küsten an ihrer engsten Stelle verbindet. Im Jahr 411 v. Chr. wurde bereits die erste Brücke an dieser Stelle errichtet. Die Brücke in der heutigen Form stammt aus dem Jahr 1962 und ist eine Schiebebrücke. Zuerst werden die Geländer abgeklappt, dann die Fahrbahn abgesenkt und die beiden Brückenhälften jeweils rechts und links unter die Fahrbahn geschoben. Ein faszinierendes Meisterwerk. Vor dieser Brücke gibt es einen extra für Freizeitboote zum Anlegen reservierten Bereich, wo wir Meerkat festmachten. In einem Gebäude in unmittelbarer Nähe meldete ich uns für die Brückendurchfahrt an und bezahlte stolze 35,65 € Gebühr. Die junge Frau in diesem Büro konnte ihrem Computer keine Quittung für die Durchfahrtsgebühr entlocken. Sie schickte mich zur Hafenpolizei, die mir dann nach der Kontrolle der Schiffspapiere das Procedere der Brückendurchfahrt erklären würden. Die Polizistin wollte natürlich den Beleg für die Durchfahrtsgebühr sehen und schickte mich wieder zurück. Außerdem war sie nicht begeistert, weil wir die neu eingeführte Steuer für Freizeitboote (TEPAI) noch nicht bezahlt hatten. Die Frist für die Bezahlung war noch nicht abgelaufen und wir hatten uns auch schon registriert um die Steuer online bezahlen zu können. Ich hatte den Eindruck, die Polizistin spielte gern mit ihrer Macht. Letztendlich bekam ich die Einweisung für die Brückenpassage.

nächtliche Fahrt durch die Brücke von Chalkida
nächtliche Fahrt durch die Brücke von Chalkida

Um den Verkehr nicht zu behindern, wird diese Brücke nur nachts bei Bedarf geöffnet. Abhängig von den Strömungen wird relativ kurzfristig entschieden,  wann die Öffnung stattfindet. Wir sollten vor Anker warten und uns ab 21:30 Uhr bereit halten. Das Funkgerät war auf Kanal 12 auf Empfang. Die Wartezeit von etwa 40 Minuten bis zum ersten Anruf kam mir ewig vor. Leise Zweifel kamen auf, ob wir wirklich den Funkspruch hören würden. Nach dem ersten Aufruf sollten wir den Anker hieven und warten bis der zweite Aufruf dann das Startsignal zur Durchfahrt gab. Alles klappte wie besprochen.

Brückendurchfahrt in Chalkida
13. Mai 2019

Mit uns fuhren drei weitere Boote durch diese Engstelle, die laut Wikipedia die engste Meerenge der Welt ist. Nur 40 m trennen hier das griechische Festland und die Insel Euböa. Die Tidenströme hier sind die stärksten in ganz Griechenland, sie können bis zu 8 Knoten betragen. Meerkat würde nicht dagegen ankommen. Die Brückenpassage wird nur freigegeben, wenn die Fließgeschwindigkeiten des Wassers gering sing, denn in der Regel werden direkt nacheinander Schiffe in die eine und die Gegenrichtung durchgelassen. Normalerweise wechselt der Strom ca. alle 6 Stunden die Richtung, abhängig vom Stand der Sonne und des Mondes. An manchen Tagen verhält sich die Strömung vollkommen irregulär und kann, abhängig vom Wind und weiteren Einflussfaktoren, bis zu 12 mal die Richtung ändern. Bis heute ist die Ursache dieser irregulären Strömungen nicht vollständig geklärt. Man sagt, dass Aristoteles ertrunken wäre, als er dieses Phänomen schwimmend erforschte. Auf jeden Fall ist es faszinierend, die Strudel und die reißende Strömung zu beobachten.

Nördlich der Brücke fanden wir einen komfortablen Platz an der Pier mit Anschluss für Wasser und Strom. Wir blieben hier noch eine weitere Nacht. Die lebhafte Stadt gefiel uns gut. In einem etwas abgelegenen Stadtviertel fanden wir “ Mezedepolio tis Argiros“, eine kleine Taverne, wo wir sehr gut und  sehr günstig aßen. Ein echter Geheimtipp! Zufällig entdeckte Wolfgang auf dem Stadtplan im Internet ein Geschäft für Gas und Gaszubehör. Ich rief am nächsten Morgen dort an, der Mann sagte, er werde unsere Gasflasche füllen. Also packte ich diese mal wieder in den Trolley und ging zu der von Google-Maps genannten Adresse. Dort allerdings war ein reines Wohngebiet und kein Gasgeschäft weit und breit. Ich fragte Passanten, aber niemand kannte ein solches Geschäft hier. Dann rief ich dort nochmal an. Jetzt bekam ich die richtige Adresse, ich solle auf der Festlandseite der Hauptstraße Richtung Athen ungefähr 10 Minuten folgen, dann käme eine Elin Tankstelle, die auch Autogas verkaufe. Auf dem Weg zurück von dieser falschen Adresse zu Meerkat, kam ich an einem großen Wochenmarkt vorbei. Schnell kaufte ich einiges an Obst und Gemüse ein. Auf Meerkat lieferte ich dieses ab, besprach mich kurz mit Wolfgang und ging weiter. Die Strecke zog sich ziemlich in die Länge, später stellte es sich heraus, dass mein Gesprächspartner am Telefon von 10 Autominuten gesprochen hatte. Die Enttäuschung war groß, als der Tankwart die Flasche dann doch nicht füllen konnte. Mit leerer Flasche im Gepäck hatte ich letztendlich etwas mehr als 10 km zurückgelegt. Nachdem ich zurück auf Meerkat war, legten wir ab. Unser Ziel war eine Ankerbucht auf der Festlandseite.