Ägäis 2019

Flucht vor dem Meltemi

Ágios Efstrátios - Órmos Rénes
Ágios Efstrátios – Órmos Rénes
7. September 2019

Noch etwas schwermütig, dass unser Plan A mit Besuch der Inseln Psará, Chíos, Foúrni, Arkí, Léros, Astipálea, Anáfi, Thíra (Santorin) usw. dem Meltemi zum Opfer fiel, entschlossen wir uns wie im letzten Jahr von Ágios Efstrátios in die Rénesbucht auf Skýros zu segeln, wo wir einen wunderbaren Abend ganz einsam verbracht und die 1000. Seemeile in 2018 gefeiert hatten. Die See war sehr bewegt, die Wellen noch von den stärkeren Winden der letzten Tage aufgebaut. Wir hatten ausreichenden, hauptsächlich achterlichen Wind zum Segeln. Nach etwas mehr als 10,5 Stunden und 53 Seemeilen fiel der Anker in der uns noch vertrauten Bucht. Bei Ankunft waren wir nicht allein. An der Küste stand ein Pickup. Zwei Männer und ein Kind gingen zu der Futterstelle und Tränke der Ziegenherde. Geschickt fing einer der Männer eine Ziege nach der anderen und verlud sie auf die Pritsche des Autos. Dann setzten sich die drei an den Rand der Wiese und beobachteten genauso wie wir, wie nach und nach zuerst Schafe und dann Pferde zu der Futterstelle kamen. In der Abenddämmerung fuhren sie mit den eingefangenen Ziegen davon. Jetzt waren wir wieder allein. Nach dem langen anstrengenden Segeltag gingen wir bald ins Bett und genossen die Stille. Wir waren gerade am Einschlafen, da schreckten wir durch ein lautes Geräusch neben unserem Boot auf. Es hörte sich nach dem Tuckern eines alten Diesel an. Wir vernahmen dann auch Stimmen und bald darauf das Rasseln einer fallenden Ankerkette. Der Blick aus dem Fenster brachte Gewissheit. Ganz nah vor uns ankerte ein Fischerboot. Zu nah! Wir machten unser Decklicht an, um besser gesehen zu werden (das Ankerlicht war bereits an), und gingen sofort auf das Vordeck. Das Hech des Fischerbootes war weniger als zwei Meter von Meerkats Bug entfernt. Ich hätte mit dem Bootshaken das Boot berühren können. Auf griechisch sprach ich einen der Fischer an und beschwerte mich, dass sie uns doch sehr nahe sind. Der antwortete gelassen,  wir könnten ja einfach mehr Kette rauslassen, dann stimmte der Abstand wieder. Selbst wenn wir das gewollt hätten, hätten wir es nicht gekonnt, da der Haken  unseres Hahnepots bereits im Wasser unter dem Fischerboot war. Diesen hätten wir jedoch einholen müssen, um danach mehr Kette zu stecken. Dabei wäre es zur Kollision gekommen. Ich war überrascht und sehr ärgerlich über diesen „Vorschlag“ und konnte auf einmal ziemlich laut und deutlich auf griechisch schimpfen. Nun informierte der Fischer dann doch seinen Kapitän. Er sah sich die Situation kurz an, ließ den Motor an und ankerte in sicherer Entfernung neu. Wir waren immer noch ziemlich aufgebracht und konnten nicht einfach wieder ins Bett gehen. Wir setzten uns mit einem Glas Wein auf unsere „Hollywoodschaukel“ und verdauten erst einmal das Erlebte.

Órmos Rénes (Skýros)
Órmos Rénes (Skýros)

Als wir am nächsten Morgen aufstanden, war das Fischerboot schon weg. Ein einzelner Taucher war jetzt in der Bucht unterwegs. Was er hier suchte, blieb uns verborgen. Beim Ablegen achteten wir sehr auf einen ausreichenden Abstand.

Skýros -Kými (Euböa)
8. September 2019

Unser nächstes Tagesziel war Kými, ein sicherer Hafen an der Ostküste Euböas, knapp 28 sm entfernt. Nach den vielen anspruchsvollen Segeltagen der vergangenen Wochen hatten wir diesmal ein richtiges „Sonntagssegeln“. Alles passte: der Wind genügend stark aber nicht zu kräftig, die Welle war inzwischen auch schwächer geworden. Euböa ist vor Allem im Norden und an der Ostküste sehr grün. Bei Kými imponieren die marmorweißen Felsen in den Bergen schon von Weitem.

Blick vom Vorhafen auf den Strand von Kými
Blick vom Vorhafen auf den Strand von Kými

Nach etwas mehr als 5 Stunden fiel der Anker im Vorhafen. Es gibt hier einen geräumigen Bereich mit gutem Schutz vor Wind und Wellen und mit gutem Ankergrund. Mit unserem Beiboot brachte mich Wolfgang an Land. Ich kaufte etwas frisches Obst und Gemüse ein. Das Angebot war spärlich und teuer. Mit dem Nötigsten versorgt ging ich wieder zu der Anlegestelle für das Dinghi, die inzwischen von einem griechischen Paar als Badeplattform genutzt wurde. So blieb etwas Zeit für einen Smalltalk auf griechisch bis Wolfgang mich abholte.

Am Motor von Meerkat waren ein paar Wartungsarbeiten fällig. Während wir auf ein Wetterfenster zum Segeln warteten, nutzten wir die Zeit und die ruhige Lage für einen Motorcheck, den Wechsel des Dieselfilters und der Zinkanode im Kühlwasserbereich. Der Keilriemen wurde auch noch nachgespannt. Nun war alles wieder gut.

Schon wieder stellte uns die Wettervorhersage vor eine schwierige Entscheidung. Der Meltemi sollte noch einmal richtig stürmen und in der Enge zwischen Euböa und Andros sich noch weiter verstärken. Genau durch diese Meerenge führte unsere Route. Unter den vorgesagten Bedingungen (mehr als 8 Bft.) wäre es mehr als leichtsinnig gewesen, diesen Weg zu wählen. Tatsächlich wurden später Windgeschwindigkeiten von bis zu 150 km/h (12 Bft.) gemessen, also Orkanstärke. Wir hatten zwei Alternativen: Entweder in Kými abzuwettern bis der Meltemi nachlässt  oder von Kými einen großen Umweg nach Nordwest in Kauf zu nehmen, um dann im nördlichen Golf von Euböa Schutz zu suchen.  Wir entschieden uns für die zweite Variante, wohl wissend, dass wir dann sehr oft den Motor brauchen würden. Aber da in den vergangenen Wochen der Meltemi ohne Unterbrechung wehte und das Ende nicht absehbar war, wollten wir lieber weiterreisen als vielleicht noch Wochen warten zu müssen.

Kými - Plataniá
Kými – Plataniá
10. September 2019

Um 4 Uhr morgens starteten wir bei Neumond in völliger Dunkelheit, weil da der Wind dann noch am wenigsten ungünstig schien. Nur mit Hilfe des GPS und unserem Seekartenplotter konnten wir uns orientieren und darauf vertrauen, dass keine Bojen oder andere unbeleuchtete Hindernisse auf unserem Weg lagen.  Nördlich von Kými mussten wir um ein Kap segeln, was aufgrund der starken Strömung und der ungünstigen Windrichtung gefühlt unendlich viel Zeit brauchte. Wir kreuzten gegen den Wind und kamen trotz Motorunterstützung kaum vorwärts. Schließlich änderten wir unser Tagesziel: eigentlich wollten wir nach Pefkí oder Oreí segeln. Beide Orte liegen an der Nordküste Euböas und waren unter diesen Bedingungen bei Tageslicht nicht mehr erreichbar. Wir steuerten daher Plataniá an, was näher lag, aber einen erneuten Umweg erforderte.

Plataniá
Plataniá

Plataniá ist ein kleiner Hafen an der Festlandküste, den wir schon im letzten Jahr besucht hatten. Durch die Kursänderung konnten wir endlich auch mal zwischendurch den Motor abschalten und segeln. In Plataniá nahmen wir eine Mooringboje auf. Die machte einen guten Eindruck. Wir trauten ihr zu,  Meerkat zu halten. Die Bucht von Plataniá bietet nicht viel Schutz. Vor allem rollen die Wellen relativ ungehindert in die Bucht. Die Nacht war durch den Schwell recht schaukelig und unruhig.

Track Plataniá - Loutrá Edipsoú
Plataniá – Loutrá Edipsoú
11. September 2019

Am nächsten Morgen reisten wir weiter, jetzt hatten wir die Einfahrt in den nördlichen Golf von Euböa vor uns. Im Mai dieses Jahres fuhren wir schon einmal in entgegengesetzter Richtung um das nordwestliche Kap von Euböa herum. Das Wasser ist dort nicht tief, es gibt dort starke Strömungen und nur eine schmale Fahrrinne zwischen der vorgelagerten Insel Monoliá und dem Kap Licháda. Wir hofften, dass unsere Berechnungen so hinkamen, dass wir auch dieses Mal wieder die Strömung mit uns hatten. Das klappte, wir segelten mit unserem Screacher bis kurz vor das Kap Licháda. Dieses rundeten wir sicherheitshalber unter Motor. Die Strömung half uns, sie war allerdings nicht so stark wie im Frühjahr, als wir in der Gegenrichtung die Fahrrinne „Stenó Knimídas“ passierten.  Im Golf herrschte dann anderes Wetter. Durch die Richtungsänderung nach dem Kap nach Osten blies der Wind mal wieder fast von vorn, zum Glück nicht zu stark. Also lief der Motor noch etwa 2 Stunden bis wir im Hafen von Loutrá Edipsoú anlegten.

Hafeneinfahrt von Loutrá Edipsoú
Hafeneinfahrt von Loutrá Edipsoú (nach dem Ablegen am nächsten Morgen)

Wir fanden einen Platz fast in der Hafeneinfahrt, weil der Haffen voll war. Es war ungemütlich, weil die ein- und ausfahrenden Fischerboote einigen Schwell verursachten. Unsere Vorräte an frischem Obst und Gemüse gingen zu Ende. Also mussten wir als erstes  wieder einkaufen. Mitten in der Nacht wachten wir auf, weil Meerkat kräftig durchgeschüttelt wurde. Wir zogen uns schnell etwas über und eilten nach draußen. Es zeigte sich, dass Meerkat durch einem entsetzlichen Schwell auf dem Wasser tanzte und regelmäßig gegen die Pier geschleudert wurde. Der Wind hatte gedreht, jetzt liefen die Wellen in den Hafen und Meerkat hatte in der Hafeneinfahrt den „besten“ Platz.

Fenderbrett
Fenderbrett und gerissene Leine

Der Teppich und eine Leine an unserem Fenderbrett waren schon ab- bzw. durchgescheuert und das Brett hing nur noch an einer Leine.

Angler morgens an der Mole
Angler morgens an der Mole des Hafens von Loutrá Edipsoú
Bucht von Giáltra
Bucht von Giáltra
12. September 2019

Sobald es dämmerte, legten wir ab um dieser „Waschmaschine“ in der Hafeneinfahrt zu entkommen. Wir hatten uns vor unserem Aufbruch von Kými Gedanken gemacht, wo wir  die zu erwartende Starkwindphase abwettern könnten. Die Wahl viel auf die Bucht  von Giáltra. Sie bietet einen hervorragenden Schutz vor fast allen Winden, aber einen schlechten, steil abfallenden Ankergrund. Wir hatten auf der Karte schon einen Ankerplatz ausgesucht. Es war nicht weit bis dorthin.  Wir drehten vorher noch eine Erkundungsrunde durch die Bucht. Die aufgehende Sonne ließ dieses besonders schöne Fleckchen Erde in der Morgenröte richtig leuchten 8siehe Beitragsbild). Das war eine Entschädigung für die ungemütliche Nacht.

Wir sahen große schöne Quallen. Sie sahen wie Spiegeleier aus. Massenhaft trieben sie durch das Wasser.  Im Internet fand ich heraus, dass diese Quallen tatsächlich Spiegeleierquallen heißen. Sie sind für Menschen ungefährlich, zwischen ihnen schwimmen wollte ich aber trotzdem nicht.

Ankerplatz im Norden des Òrmos Giáltron
Ankerplatz im Norden des Órmos Giáltron

Schließlich erreichten wir den Ankerplatz. Beim Ankern lief der Motor der Ankerwinsch nur sehr langsam, der Anker fiel im Zeitlupentempo! Einmal unten hielt er zum Glück gut in dem kleinen sandigen Plateau. Nach unserem verspäteten Frühstück holten wir noch etwas Schlaf nach. Gegen Mittag wollte ich etwas Fußpflege betreiben und setzte mich an den Heckspiegel und hielt die Füße ins Wasser. Ich ließ meinen Blick schweifen und traute beinahe meinen Augen nicht! Es trieb ein herrenloses Motorboot auf dem Wasser. Dieses Boot war zuvor an einer Boje befestigt gewesen und diente mir als Landmarke, um festzustellen, ob unser Anker hielt. Ich weckte Wolfgang und überzeugte ihn, dass wir dieses Boot retten sollten. Außerdem fand ich im Internet die Telefonnummer der Menschen, denen das Haus am Ufer gehörte. Dort rief ich an und fragte, ob das ihr Boot wäre und ob sie vielleicht im Boot wären. Ja das Boot gehörte ihnen, sie seien beide gerade nicht zu Hause, aber der Mann würde kommen. Wir stiegen mit einer Leine bewaffnet in unser Dinghi und fuhren dem Boot nach. Es war schon über 600 m entfernt.

Boot im Schlepp
Eingefangenes Motorboot im Schlepp

Mit der Leine schleppten wir es ab. Jetzt musste sich unser kleiner 3,5-PS-Motor aber richtig anstrengen. Langsam kamen wir dem Ufer näher. Dort tauchte dann auch endlich ein Mann auf, der wild gestikulierte. Als wir auf Höhe der Boje waren, watete er durch das Wasser zu seiner Boje und nahm sein Boot wieder in Empfang. Er bedankte sich und wollte sich nochmal melden. Bis heute hörten wir nichts mehr von ihm. Am Nachmittag kümmerten wir uns um die Ankerwinsch. Die Kontakte  der Stromzuführung waren korrodiert und schlechte Stromleiter. Die Kontakte reinigten wir mit Stahlwolle und schmierten sie mit Polfett. Jetzt lief die Winsch wieder gut. Leider verteilten sich dabei viele kleine Stahlwollespähne  auf dem Vordeck. Am nächsten Morgen hatten wir viele kleine Rostflecken rund um die Winch.  Mit viel Aufwand konnte ich die meisten dieser Flecken entfernen. Nur ein paar wenige Fleckchen gibt es jetzt noch. Wir blieben noch ein einige Tage in dieser Bucht bis der Sturm draußen nachgelassen hatte.