Ägäis 2019

Ein Alptraum kommt selten allein

Felsen vor Platadoura
Batsi-Lavrio
Batsi (Andros) – Lavrio (Attika)
8. Mai 2019

Eigentlich wollten wir am 8. Mai als nächstes die Kykladeninsel Kea ansteuern, aber wir bekamen den  Tipp, doch nach Lavrio überzusetzen. Dort gäbe es viele Werkstätten und Geschäfte für Bootszubehör, um unser unser Boot wieder fit machen zu können. Unter der Woche wäre ausreichend Platz im Hafen, am Wochenende wäre der Hafen voll mit Charterbooten.

In der Morgendämmerung legten wir ab. Endlich konnten wir wieder richtig segeln. Wir hatten guten, fast zuviel Wind (bis über 20 kn halber Wind) was gleichzeitig eine lästige Welle von der Seite mit viel Schaukeln mit sich brachte. Erst ab der Südspitze der Lavrio vorgelagerten Insel Makronisi brauchen wir den Motor wieder. Unter der Landabdeckung dieser länglichen großen Insel war wenig Wind und der kam auch noch von vorn. So motorten wir die letzten 5,3 Seemeilen bis in den Hafen von Lavrio. Dort legten wir an einem Steg von Olympic Yachting an. Der Hafen liegt mitten in der Stadt. Es waren alle Geschäfte zu Fuß erreichbar. Wir fanden einen gut sortierten Marineshop. Dort bestellten wir eine neue Relingleine nach Maß (die gebrochene ließen wir zur Sicherheit da) und erstanden einen neuen Fender. Ich bekam dort auch die Adresse eines Gasgeschäftes in Lavrio, das uns bestimmt weiterhelfen könnte. Dorthin pilgerte ich dann mit unserer leeren Gasflasche im Einkaufstrolley und stand vor verschlossener Tür. Jemand vermutete, dass der Besitzer vielleicht bei einem wichtigen Basketballspiel wäre. Wie auch immer, ich musste es halt am nächsten Tag nochmal probieren.

Am nächsten Morgen mussten wir allerdings unseren Liegeplatz verlassen, ohne vorher unsere Einkäufe vollständig erledigt haben zu können. Olympic Yachting wollte wohl noch weitere Boote in Dienst stellen und brauchte dazu unseren Platz. Ich ging zu Fuß an Kai und Pier entlang und bekam auf Nachfragen die Zusage für einen Liegeplatz für eine Nacht bei einer anderen Charterbasis. Am Morgen darauf um 9 Uhr musste auch dieser Platz wieder frei sein. Das war für uns kein Problem,  wir wollten dann ja ohnehin in die Bucht „Ormos Thoriko“ nördlich von Lavrio umziehen. Unser neuer Liegeplatz befand sich ganz in der Nähe eines  riesigen Marktgeländes. Heute, wie jeden Donnerstag, war Markttag in Lavrio. Das Angebot war überwältigend.  Nicht nur Lebensmittel auch Kleidung und Haushaltswaren wurden angeboten. Schnell war mein Trolley voll, die Vorräte sollten wieder für einige Tage reichen. Dann ging ich erneut zum Gasgeschäft. Diesmal traf ich eine junge Frau an, die meinte, es wäre überhaupt kein Problem, unsere Anlage auf griechische Tauschflaschen um zu stellen. Ich hatte meine Zweifel aufgrund unserer Erfahrungen mit britischen und amerikanischen Maßen und verabredete,  dass ihr Chef zu uns an Bord komme, um dort zu sehen, was geht. Ich gab ihr auch meine Bilder, die ich in Vorahnung vorher schon gemacht hatte, damit ihr Chef wusste, was ihn erwartete. Statt dessen Besuch an Bord bekam ich einen Anruf, dass er uns nicht weiterhelfen könne. Enttäuscht vertagte ich ich das Gaskapitel. Langsam ging die Gasfüllung der verbliebenen Flasche zur Neige.

Bucht von Thoriko
Bucht von Thoriko
Lavrio-Thoriko
Lavrio – Bucht von Thoriko
10. Mai 2019

Am Freitag früh verlegten wir Meerkat in die Bucht nördlich von Lavrio. Von dort aus waren es auch nur 20 Minuten Fußweg in die Stadt. Die Bucht war ruhig, wir waren fast allein. Am Samstag brachte mich Wolfgang mit dem Dinghi ans Ufer. Dort standen Schilder mit der Aufschrift, dass das Baden hier verboten sei. Das ist für Griechenland ungewöhnlich. Möglicherweise  wurden hier ungesunde Abwässer aus dem benachbarten Bergbau eingeleitet. Ich war froh, dass mir das Wasser sowieso noch zu kalt zum Baden war,  sonst wäre ich bestimmt vom Boot aus schon längst im Wasser gewesen. Schnell war ich in der Stadt. Ich holte unsere nach Maß gefertigte  Relingleine ab, machte noch ein paar weitere Besorgungen und staunte, wie brechend voll der Hafen jetzt war. Sehr viele Charterboote waren offensichtlich zum Crewwechsel da.

Bucht von Thoriko - Porto Rafti
Bucht von Thoriko – Porto Rafti
11.Mai 2019

Nachdem ich wieder zurück auf Meerkat war, machten wir zügig seeklar, um den günstigen Wind für den geplanten Törn nach Porto Rafti zu nutzen. Kaum hatte Meerkat seine Nase aus der Bucht gesteckt, wurden die Segel gesetzt, die wir erst wieder in der Einfahrt in die Bucht von Porto Rafti  fallen ließen. Unser Anker fiel im Süden der Bucht, weil sie vor Südwind den besten Schutz bot und dort nur ein Boot ankerte. Einem Schwarm von Optis (Optimist: kleine Anfängerjolle), die eine kleine Regatta segelten, mussten wir dazu zunächst über recht flaches Wasser ausweichen. Schon toll, wenn kleine Kinder schon die Möglichkeit haben zu segeln. Ich wurde ein bisschen neidisch, aber wahrscheinlich hätte ich als kleines Mädchen zu viel Angst vor dem tiefen Wasser gehabt. Die hatte ich nämlich bis in die 80er Jahre behalten, erst dann konnte ich mich am Schwimmen in der Natur freuen. Von der Stadt Porto Rafti sahen wir nichts, lasen aber einiges darüber.

Südbucht von Porto Rafti
Südbucht von Porto Rafti

Die Bucht war für uns jetzt primär als sicherer Platz zum Übernachten gedacht. Unser Gasproblem trieb uns weiter. Sicher werden wir auch hier noch einmal herkommen, denn es ist eine ausgesprochen schöne Bucht. Jetzt war unser Plan, durch den Evviakanal nach Norden zu fahren.

Porto Rafti - Ormos Vouvo
Porto Rafti – Ormos Vouvo
12. Mai 2019

Das nächste Etappenziel war die Bucht Ormos Almyropotamos, wo wir einen Ankerplatz bei Agios Dimitrios auf der Karte ausgesucht hatten. Guter Wind brachte uns schnell voran.

Durchfahrt zwischen Kavalliani und Euböa
Durchfahrt zwischen Kavalliani und Euböa in die Almyropotamos-Bucht

Die Einfahrt in die Bucht von Süden war eng, felsig und nicht ungefährlich. In unserem Führer stand der Rat: „Avoid crossing the strait with south winds“. Der Wind kam ja „nur“ aus Südwest, also riskierten wir die Passage. Sicherheitshalber starteten wir den Motor und rollten die Genua ein. Unter ständigem Blick auf das Echolot und Vergleich mit den Tiefenlinien aus der Seekarte ging die Durchfahrt problemlos. Glücklicherweise kam uns nicht die Fähre entgegen, die auch diese Abkürzung benutzt und sehr schnell unterwegs ist.
An dem ausgesuchten Ankerplatz passierte etwas, was der Alptraum eines jeden Bootfahrers ist. Um eine Boje genauer zu begutachten und um zu entscheiden, ob sie als Mooringboje geeignet ist, wollte wir sie aus der Nähe betrachten und fuhren an sie heran, zumal dieses Gebiet auf unseren Karten als Ankerplatz ausgewiesen ist. Ich stand vorne am Bug mit dem Bootshaken, um gegebenenfalls die Boje aufnehmen zu können. Da sah ich zu meinem Entsetzen, dass daran ein Fischernetz befestigt war. Ich rief und fuchtelte wild mit den Armen. Als Wolfgang mich bemerkte, legte er den Rückwärtsgang ein. Zu spät. Nach einigen Augenblicken ging der Motor aus. Das Netz blockierte offensichtlich den Propeller. Wir hingen gefangen im Netz. Unser Propeller war wie in einem Kokon durch das Netz eingesponnen. Schnell war klar, dass wir hier unser extrascharfes Seglermesser, das für Notfälle immer griffbereit im Cockpit angebracht ist, einsetzen mussten. Zum Glück können wir unser Driveleg hydraulisch aus dem Wasser heben. Wir brauchten also nicht zu tauchen,  um den Propeller zu befreien. Wir ließen unser Dinghi ins Wasser um den Propeller zu erreichen. Jetzt passierte der nächste Alptraum: mich störte das aufgedrillte Fischernetz sehr. Es behinderte mich beim Freischneiden des Propellers. Ohne weiter nachzudenken schnitt ich es kurzerhand ab. Das ging ganz einfach, ABER jetzt trieben wir manövrierunfähig auf die gegenüberliegende Küste zu. Den Motor konnten wir nicht einsetzen, der Propeller war ja blockiert. Wolfgang übernahm zunächst. Eine Weile nachdem er sich zweimal in den Finger geschnitten hatte, löste ich ihn wieder ab und er versorgte seine Wunden. Ich arbeitete weiter zügig am Propeller. Gerade als Wolfgang sagte, jetzt  müsste er versuchen,  den Motor zu starten,  sonst strandeten wir gleich, war der Propeller frei. Als ich aufschaute, erschrak ich. Das Ufer lag etwa eine knappe Bootslänge entfernt vor mir. Im wirklich allerletzten Moment hatten wir es geschafft. Sofort ließ Wolfgang das Driveleg ab und startete den Motor. Zügig steuerte er Meerkat weg vom Ufer mit dem Dinghi  im Schlepp. In sicherem Abstand vom Ufer hängten wir unser Dinghi wieder an den Davits auf und steuerten den nahegelegenen kleinen Hafen Panagia an. Dort angekommen, hatten wir Zweifel, ob das Wasser tief genug zum Anlegen war. Eine weitere geeignete Ankerstelle schien es in dieser Bucht bei den aktuellen Windverhältnissen nicht zu geben. Deshalb entschieden wir uns, stattdessen die nahegelegene Bucht „Ormos Vouvo“ anzusteuern.

Bucht von Vouvo
Bucht von Vouvo

Dort konnten wir gut und sicher auf 4 m Wassertiefe ankern. Es war eine wunderschöne, absolut ruhige Bucht, in der allerdings nicht viele Boote Platz haben. Wir ließen bei einem Glas Retsina Revue passieren, was wir erlebt hatten, und waren sehr froh, dass nichts Schlimmeres passiert war.

neue Relingleine
neue Relingleine

Jetzt endlich fand Wolfgang Zeit, die neu erstandene, maßgefertigte Relingleine einzuziehen. Oh Schreck, sie war mindestens 5 cm zu lang. Zurückfahren zum Reklamieren war uns zu zeitaufwendig und zu teuer. Also schrieben wir die 50 € unter Spesen ab.