Ägäis 2019

Nordwärts nach Syros und Tinos

Meerkat in der Syros-Marina
Naoussa - Ermoupoli
Naoussa – Ermoupoli
29.4.2019

Frühmorgens am Ostermontag legten wir im Hafen von Naoussa ab. Die Stadt schlief noch, hatten doch viele Griechen bis spät in der Nacht gefeiert. Das Ablegen war einfach, schließlich hatten wir mit den begehrten Mooringleinen angelegt. Vorhergesagt war Wind aus achterlichen Richtungen mit 10 bis 15 kn, also durchaus brauchbarer Segelwind. Anfangs hatten wir viel zu wenig Wind aber gegen 9 Uhr frischte er auf, 20 Minuten später mussten wir sogar reffen, also die Segel verkleinern, weil zuviel Wind war. So schnell ändern sich hier die Verhältnisse! Nach insgesamt 5 Stunden waren wir in Ermoupoli auf Syros angekommen.  Bei der Einfahrt in den Vorhafen imponieren zwei benachbarte Berge mit Kirchen darauf.

Ermoupoli
Ermoupoli mit zwei Kirchen auf den Bergkegeln

Die westliche ist die Bischofskathedrale St. Georg, die östliche die griechisch-orthodoxe Auferstehungskirche (Anastasi). Für Griechenland ganz ungewöhnlich war, dass Syros früher fast ausschließlich von Katholiken bewohnt wurde. Im Rahmen des griechischen Unabhängigkeitskriegs wurden 1822 von der türkischen Regierung etwa 45.000 Soldaten auf die Insel Chios geschickt, um dort die Ordnung wiederherzustellen. Es wurde befohlen alle Männer, die älter als zwölf Jahre waren, alle Frauen über vierzig Jahren und alle Kinder unter zwei Jahren zu töten. Die anderen wurden versklavt. Insgesamt werden 25.000 Tote geschätzt, während 45.000 Griechen als Sklaven verkauft wurden. 10.000 bis 15.000 Personen konnten fliehen. Viele davon fanden auf Syros Zuflucht. So besteht die heutige Bevölkerung von Syros aus etwa genauso vielen Katholiken wie griechisch-orthodoxen Christen, was durch die prunkvollen Kirchen auf den gegenüberliegenden Bergspitzen unterstrichen wird. Syros ist mit ca. 20.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste der Kykladeninseln.  Schon bei der Ankunft fiel auf der Steuerbordseite ein großer Werftbetrieb auf. Er soll der größte Industriebetrieb der Kykladen sein.

Wir fanden in der mit EU-Mitteln finanzierten, komplett fertiggestellten, aber nie in Betrieb genommenen Marina südlich von Ermoupoli einen guten und sicheren Platz. Strom- und Wassersäulen waren vorhanden, aber Strom- und Wasser gab es nicht. Bezeichnend ist ein durchgerosteter Laternenpfahl. Die Marina wird jetzt größtenteils von Fischern und Dauerliegern genutzt.

I

durchgerosteter Laternenpfahl
durchgerosteter Laternenpfahl in der Syros-Marina

Im Laufe des Tages füllte sich die Marina. Gut, dass wir früh aufgebrochen waren. Während unseres Abendspaziergangs entdeckten wir eine Tankstelle und zwei Marineshops. Das Ziel für den nächsten Morgen war klar: die Gasflasche musste endlich gefüllt werden. Also, wie schon so oft, packte ich die leere Gasflasche in unseren Einkaufstrolley und machte mich auf den Weg.  Im ersten Geschäft konnten sie mir nicht weiterhelfen,  sie telefonierten für mich mit der einzigen Autogastankstelle der Insel. Die allerdings konnte die Flasche auch nicht füllen. Ich ging zum nächsten Geschäft, dort bekam ich die Auskunft, dass das Material für die Umrüstung auf das griechische System etwa 50 € kosten würde. Aber er hatte keine passenden Flaschen vorrätig.  Ich fragte in mehreren weiteren Geschäften, wo ich jeweils Tipps bekam, wo ich noch fragen könnte. So kam ich in verschiedene Straßen der Südstadt von Ermoupoli. Ich fand einen Wasserautomaten, wo man für 0,50€ 10Liter gutes gefiltertes Trinkwasser zapfen kann. Im Supermarkt bezahlt man etwa den 4-fachen Preis. Außerdem entdeckte ich Leihfahrräder und einen Park&Ride Parkplatz mit kostenlosem Shuttlebus in die Innenstadt. Mit leerer Gasflasche aber voller neuer Eindrücke kam ich zurück zu Meerkat. Der nächste Tag war der 1. Mai, also wieder ein Feiertag, an dem wir keine Aussicht auf Lösung unseres Gasproblems sahen. Da die Windprognose einigermaßen günstig war, entschieden wir uns, den Feiertag zum Reisen zu nutzen. Eigentlich wollte ich gerne noch die  Altstadt mit ihren beiden Kirchenbergen erkunden. Das vertagten wir auf einen späteren Besuch von Syros.

Ermoupoli - Tinos
Ermoupoli – Tinos
1.5.2019

Es gab dann leider doch nicht genug Wind, um ohne Motor nach Tinos zu kommen. Wir kamen dort im Stadthafen an als gerade Aufbruchsstimmung war. Mehrere Segelboote legten nacheinander ab. So war Platz für Meerkat. Am Kai standen zwei Männer, die uns zu einem Liegeplatz winkten, an dem wir längsseits anlegten. Das Hafenwasser war recht unruhig, wir mussten die Leinen gut austarieren, damit Meerkat einigermaßen ruckfrei lag.

Flottille des Orange Cub
Flottille des Orange Cup

Nach uns legten noch 11 Segelboote vom „Orange Cup“ im Hafen an, die wohl eine Regatta gesegelt hatten. Deren Feier gingen bis in den späten Abend, nachts war aber zum Glück Ruhe. Einige Griechen nutzten offensichtlich die Anhäufung von Feiertagen für einen Kurzurlaub. An der Stadtpier auch abends reges Treiben. Sogar viele Familien mit kleinen Kindern waren unterwegs.

Es gibt hier eine der für die griechisch-orthodoxen Christen wichtigsten Wallfahrtskirchen ganz Griechenlands, Evangelistria auf Tinos. Sie wurde ab 1823 genau an der Stelle errichtet, an dem eine Ikone der Jungfrau Maria nach einer Vision der Ordensschwester Pelagia gefunden wurde. Die Ikone soll vor den türkischen Eroberern versteckt worden sein. Das Auffinden der Ikone wird von vielen Griechen mit dem Sieg über die Türken im griechischen Befreiungskampf in Zusammenhang gebracht. Sie wird hoch verehrt.

Straße zur Panagia
Straße zur „Panagia“, wie sie von Einheimischen genannt wird

Die Kirche Panagia Evangelistria (Panagia = Mutter Gottes) ist auf einer Anhöhe in der Altstadt. Eine relativ breite Straße führt direkt auf sie zu. Am Straßenrand gibt es eine extra mit Teppich ausgelegte Spur für die Wallfahrenden. Sie legen die 600 m lange Strecke vom Hafen bis hoch zur Kirche auf Knien zurück. Es gibt an der Straße und in den Nachbarstraßen bis meterhohe Kerzen zu kaufen, die dann oben in der Kirche in einem Raum im Eingangsbereich entzündet werden. An vier wichtigen Pilgertagen (30. Januar, 25. März, 23. Juni und 15. August) muss hier sehr viel los sein. Jetzt war es um die Kirche herum eher ruhig.

Die leere Gasflasche blieb auf Tinos an Bord. Wir hatten die Hoffnung aufgegeben, hier eine Lösung zu finden. Am 9. Mai war die neu eingeführte Steuer für Freizeitboote (TEPAI) fällig. Wir gingen also zur Hafenpolizei, um unseren Obolus zu entrichten. Dort waren sie sehr nett, aber die Chefin, die sich damit auskennen sollte, war nicht da. Deshalb sollten wir am nächsten Tag wiederkommen. Anschließend gingen wir noch durch die engen und verwinkelten Gassen spazieren. Vorgärten gibt es hier keine, da müssen die Zwerge halt aufs Dach.

Schneewittchen
Schneewittchen und die sieben Zwerge

Am nächsten Vormittag ging ich noch einmal zur Hafenpolizei. Ich wartete ziemlich lange bis mir ein Polizist in sehr rücksichtslos schnell gesprochenem Griechisch erklärte, ich müsse mit meinem Anliegen zum Zoll gehen. Ein Grieche, der auch dort wartete und alles mitgehört hatte, bestätigte mir auf englisch, was ich glaubte, verstanden zu haben, und beschrieb mir den Weg zum Zoll. Das Zollamt war schräg gegenüber von Meerkats Liegeplatz. Es war leicht zu finden. Auf dem Rückweg kaufte ich bei lokalen Bauern, die ihre Verkaufsstände am Straßenrand aufgebaut hatten, sehr leckere Tomaten, eingelegte Artischocken und Krithamo, eine Pflanze die ähnlich wie Queller an der Nordseeküste,  direkt an der Wassergrenze wächst. Sie ist lecker und sehr gesund, wie wir schon in Katapola auf Amorgos erfahren hatten. Diese erworbenen Schätze lieferte ich auf Meerkat ab und ging direkt zum Zoll. Die Tür war zu, ein Zettel mit zwei Telefonnummern und der Aufforderung sich im Bedarfsfall dort zu melden, klebte im Fenster.  Ich rief dort an, erreichte niemanden, bekam aber kurz darauf einen Rückruf. Der Zollbeamte sei gerade beruflich in Athen,  er käme am Sonntag um 12 Uhr zurück. Aber für diese Steuer sei er nicht zuständig. Das sei Angelegenheit der Hafenpolizei. Ich bedankte mich für den Rückruf und war so schlau wie zuvor. Bis zur Fälligkeit der Steuer war noch eine Woche Zeit. Es würde sich hoffentlich eine Lösung finden. Wir haben unseren guten Willen gezeigt, aber der schützt vor Strafe nicht und die ist höher als die nicht bezahlten Steuern. Jedenfalls wollten wir wegen der Steuern nicht noch ein Wochenende warten, zumal für die nächsten Tage Sturm angekündigt war. So hielten wir Ausschau nach einem sicheren Hafen, um dort den Sturm abzuwettern.