Unser Radio an Bord hat keine hervorragende Antenne, aber hier in Kalamata können wir meistens ganz gut den Klassiksender empfangen. Im Gegensatz zu den meisten deutschen Sendern gibt es hier meistens ganze Musikstücke zu hören. Die meisten Moderatoren reden auch relativ langsam, sodass wir auch einiges verstehen können. Es macht gute Laune, schöne Musik zu hören, während ich unser Frühstück zubereite. So fängt der Tag gut an.
So richtig rund wurde mein Leben in Kalamata erst dadurch, dass ich die Möglichkeit fand, in der städtischen Musikschule Klavier zu spielen. An einem Abend im Dezember gingen wir in der Altstadt spazieren. Aus einem Gebäude kam viel Musik, eben wie es aus einer Musikschule klingt, wenn viele verschiedene Instrumente gleichzeitig, aber nicht zusammen gespielt werden. Für mich gab es da kein Halten mehr. Ich musste einfach erkunden, was das für ein Haus ist. Es war alles offen. In den Fluren saßen wartende oder vielleicht auch lauschende Menschen. Ich fand ein Büro. Es ist die städtische Musikschule.
Mutig ging ich hinein, nahm meine ganzen Griechischkenntnisse zusammen und bekam als Antwort auf meine Frage, ob ich hier üben könnte und was das kosten würde: selbstverständlich kannst du üben und warum solltest du etwas bezahlen. Es ist für alle frei! Am besten passt es ihnen zwischen 14:30 Uhr und 16:00 Uhr, da findet kein Unterricht statt.
Ich kann bis heute mein Glück kaum fassen. Als einziges Notenbuch habe ich den ersten Band von Bachs Wohltemperierten Klavier mit auf die Reise genommen. Mit Bach im Rucksack ging ich am darauf folgenden Montag aufgeregt los und tatsächlich, es war kein Traum, ich konnte dort üben. Das Klavier, zu dem mich die Sekretärin schickte, war in einem jämmerlichen Zustand. Ich nahm es als Herausforderung und versuchte auf dem schlechten Klavier möglichst gut zu spielen. Beim übernächsten mal saß ich an einem auch nicht besonders guten, aber viel besseren Flügel.
Dann lernte ich auch noch Lucas kennen. Er ist Klavierlehrer, in Stuttgart geboren und hat in Paris Klavier studiert. Er spricht perfekt deutsch und er hat mir Zugang zu seiner online Notensammlung gegeben. Ich erweiterte mein Übungsrepertoire um die Sonatine von Ravel und meine Lieblingsintermezzi op.117 von Brahms. Außerdem arbeitete ich auch an „meiner“ Fuge, die der liebe Bruce Reid mir für die Schifffahrt geschrieben hat. Für mich ist es ein so großes Glück, musizieren zu können, dass ich, wenn ich fertig bin und die vielen Treppenstufen von der Musikschule hinunter auf den Kirchplatz der Hauptkirche von Kalamata gehe, vor Glück die ganze Welt umarmen könnte.
Seit wir in Kalamata sind und nicht so geizig mit unserem Batteriestrom sein müssen, hören wir auch sehr viel Musik. Meistens klassische, aber auch griechische oder anderes.