Nachts auf dem Meer

Nachts auf hoher See

Mond

Ich bin oft gefragt worden: „Was macht ihr eigentlich nachts auf dem Meer?“

Über gewisse intime Dinge möchte ich mich hier nicht näher auslassen. Dazu bieten sich nachts auf dem Meer kaum Gelegenheiten, zumindest bei einer Zweier-Crew.

Großsegel nachts
Großsegel nachts

Auch wenn es Nacht ist, kann man meist doch etwas sehen, abhängig vom Mondschein und der Bewölkung.Aber man muss sich darauf einlassen und sich nicht durch das Handy oder anderes ablenken lassen. Das Display im Navigationsmonitor wird auf Nachtmodus gestellt, damit es möglichst wenig blendet. Auch andere Lichter im Boot oder auf dem Tablett sollten möglichst aus oder schwach sein.

Schiffe und Boote sind meistens beleuchtet. Anhand der Lichterführung (z.B. Farbe Backbord (links) rot, Steuerbord (rechts) grün) kann man die Fahrtrichtung erkennen, ob es unter Motor fährt oder segelt und einigermaßen die Größe abschätzen. Das ist nur nicht immer so einfach. Auch unbewegte Objekte wie Bohrinseln haben ihre typische Beleuchtung. Bei guter Sicht sieht man die Lichter früh genug, dass man im Zweifel auch nochmal in die Lichtzeichentabelle schauen kann, was die entsprechende Kombination bedeutet. Mir fällt es nicht leicht, Entfernungen abzuschätzen, tagsüber nicht, aber erst recht nicht im Dunkeln.

Alle größeren Schiffe und viele größere Boote haben AIS (Automatic Identification System). Dabei werden über UKW-Funk automatisch die eigenen Schiffsdaten, wie Schiffstyp, Ort, Geschwindigkeit, Fahrtziel etc., und auch die Schiffsdaten anderer Schiffe in der Nähe, die auch AIS haben, übertragen. Wir haben einen AIS-Empfänger an Bord, aber keinen Sender, d.h., wir sehen die Schiffe, die mit AIS ausgestattet sind, auf dem Display, aber uns kann keiner über AIS sehen.

Wir haben auch Radar und können Schiffe, größere Boote und auch kleinere Boote mit Radarreflektoren auf dem Bildschirm schemenhaft erkennen. Wir mussten feststellen, dass die Sicherheitsausstattung der Boote der Berufsschifffahrt abnimmt, je weiter wir nach Süden kamen. Wenn die Sicht klar ist, sieht man mit bloßem Auge mehr im Meer als auf dem Radarschirm. Mit am unangenehmsten nachts ist dichter Nebel (am Tag auch). Kleinere Boote ohne AIS und Radarreflektor sind dann nur am Motorengeräusch und an Schallzeichen wahrnehmen, wenn sie denn welche von sich geben. Die Ortung ist dann kaum möglich. Da hilft dann nur, selbst Schallsignale geben, die Geschwindigkeit drosseln, sich langsam „vorwärtstasten“ und hoffen, dass man etwas sieht, bevor es kracht.

Bojenmarkierung
Bojenmarkierung (Fischerfähnchen) in der Straße von Messina

Besonders fürchteten wir die „Fischerfähnchen“. Das sind Fähnchen, die an einem Styroporstück oder an einem leeren Kanister befestigt sind und Reusen markieren. Die Fähnchen sind nie beleuchtet, sehr selten haben sie Radarreflektoren, damit sie auf dem Bildschirm gesehen werden können. Es ist richtig gefährlich, wenn sich ein Seil von einem Fischernetz im Propeller des Motors verfängt. Das Boot kann dadurch manövrierunfähig werden. Außerdem kann das Boot bei einer Kollision einige Schrammen abbekommen.

Eine andere wichtige Sache ist natürlich das Wetter: Windrichtung und -stärke, Wolken und Nebel, und Wellen müssen tags wie nachts beobachtet werden.  Einer von uns beiden hat dann Wache und der andere schläft im Salon mit Kleidern an, sodass er jederzeit sofort einsatzfähig ist.

Vor allem wenn der Mond nicht scheint, kann man so viele Sterne sehen. Oft musste ich an meinen Großvater Lau denken, der so beeindruckende Bilder vom Sternenhimmel machte. Ich habe so unglaublich viele Sterne gesehen, das war wirklich faszinierend.

Wenn das Wetter ruhig ist und nicht viel Verkehr auf dem Wasser ist, können wir es uns mit dem Autopiloten einfacher machen: man die Richtung einstellen oder sogar eine ganze Strecken mit Wegpunkten, an denen die Richtung geändert wird. Dann müssen wir nur regelmäßig, also ca alle 10 bis 15 Minuten, nach Lichtern Ausschau halten und uns vergewissern, dass wir noch auf dem richtigen Kurs sind. Leider war unser Autopilot auf der Biskaya kaputt gegangen, weil er überlastet war. Nach der Reparatur funktionierte er nicht besonders gut, weil wir, um einer erneuten Überlastung vorzubeugen, ihn weniger „scharf“ eingestellt haben. Besonders unter Motor ist er um den eingestellten Kurs gependelt und immer mal wieder ganz aus dem Ruder gelaufen.

Sturm in der Nacht gibt’s auch, klar. Das ist besonders unangenehm, weil wir wenig sehen. Insbesondere sieht man die Wellen nicht und kann sie nicht entsprechend aussteuern. Man bekommt schon mal überraschend eine Ladung Wasser ins Gesicht von einer überkommenden Welle.

Da sind wir maximal gefordert. Und wir sind dann immer zu zweit wach: einer am Steuer und einer für den Rest.

Und wir wechseln uns natürlich häufiger ab, weil es einfach so anstrengend ist.

Wichtig ist auch, dass immer genug Essen und Trinken greifbar ist. Anfangs hatte ich das unterschätzt. Aber wer nachts arbeitet, muss auch was zu sich nehmen. Kochen möchte keiner von uns in der Nacht, also haben wir immer tagsüber entsprechende Vorräte angelegt. Trotzdem sind gerade nachts Schokolade, Müsliriegel, Reiswaffeln und ähnliche Süßigkeiten beliebt, besonders bei unserem Diabetiker.

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